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Antike Polychromie.
früher annehmen zu dürfen glaubte. Doch wird es nicht überflüssig sein,
auch dabei einige Vorsicht walten zu lassen. Um bei der thnnlichen
Feststellung des Resultats mit einer Kleinigkeit zu beginnen, so bezeichnet
Herrmann am Theseustempel zu Athen die Tropfen unter den Dielenköpfen
und unterhalb der Triglyphen als roth, während Aehnliches bei keinem
weiteren Denkmal erwähnt wird, sie vielmehr im Uebrigen grösstentheils
als weiss bezeichnet werden. Ferner ist nur er es, der von einem rothen
Grunde in den Giebelfeldern des Theseustempels und des Parthenons,
sowie in den Metopen des ersteren spricht, während anderweit was
Arehitekturtheile betrifft, vor denen sich bildliche Darstellungen abheben
sollten oder konnten über einen rothen Grund nur bei den Metopen
des alterthümlichsten Tempels von Selinunt eine (und zwar allerdings
sichre) Kunde vorliegt, und im Gegensatz gegen solche Anordnung das
Giebelfeld des Minerventempels von Aegina, der innere "Fries des Par-
thenons und des Theseustempels, die Metopen des edelsten der selinunti-
sehen Tempel, ja sogar die des Parthenons (und beide letztere sogar zur
Seite blauer Triglyphen) als blau gefärbt bezeichnet werden, der Tempel
von Aegina aber sowie jenes kleine Heiligthum zu Selinunt ungefärbte
Metopen hatten. Ich bin fern davon, diesen Berichten des Augenzeugen
(Herrmamfs) geradehin widersprechen zu wollen; aber die allgemeine kri-
tische Beschaifenheit der rothen Färbung hätte es, um ihm mit voller Zuver-
sicht folgen zu können, doch wünschenswerth gemacht, eine erschöpfend
genaue Charakteristik der Beschaffenheit jener Farbcnspuren, statt der allge-
meinen Angabe ihres Vorhandenseins, zu besitzen. Einstweilen scheint
freilich der Bericht von Boss über die wechselnde Farbe des Grundes der
Giebelfelder an Grabsteinen zu einiger Bestätigung seiner Angabe zu dienen.
Noch ist, was roth gefärbte Theile betrifft, zu bemerken, dass nur, wie
vom Aegina-Tempel, so von einigen selinuntischen Tempeln eine Kunde
über eine rothe Färbung des Architravbandes vorliegt, eine solche aber
über athenische Denkmäler nicht vorhanden ist.
Uebereinstimmend wiederholen sich dagegen die Angaben über blaue
Farbe der Triglyphen, an den athenisch dorischen Denkmälern, am Tempel
von Aegina, an denen von Selinunt, mit theilweiser Hinzufügung einer
dunkleren Färbung in den Schlitzen. Dieser Farbe entspricht zugleich das
ebenfalls mehrfach erwähnte Blau der Dielenköpfe und der Riemehen unter-
halb der Triglyphen. an welchen die Tropfen hängen. Hiegegen wird kein
Zweifel statthaft sein. Auch sehe ich sehr wohl ein, dass man sich zunächs[
in einer schwierigen Lage befinden würde, falls man etwa behaupten wollte,
wie die Metopen, so seien dennoch gelegentlich auch die Triglyphen
nngefarbt gewesen. Wo keine Farbe mehr wahrnehmbar ist, kann solche
doch ursprünglich immerhin gewesen sein; und wenn uns in Qinzglnen
Fällen, z. B. bei den oben genannten agrigcntinisehen Tempeln, nur von
blauen Dielenköpfen und von blauen Riemehen unterhalb der Triglyphen
berlchtct wird, so dürfte dies zunächst allerdings schliessen lassen, dass
auch die Triglyphen selbst an ihnen blau waren.
Die Färbung der Triglyphen mit einer so entschiedenen Farbe ist aber
nicht bloss als ein Mehr oder Weniger von bunter Zuthat, nicht als Etwas,
das einer blossen Dekoration angehört, zu betrachten; ihr Vorhandensein
oder Nichtvorhandensein ist zugleich von wesentlicher Bedeutung für die
Auffassung des Gerüstes der doj-ischen Architektur, ja, für die ganze Art
und Weise ihrer Durchbildnng und somit sellist geeignet, zur Charakteri-