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Polychromie,
Antike
an den in London befindlichen Friesstücken wahrnehmen lassen. An den
Bildwerken sämmtlicher Friese, vom Inneren und Aeusseren des Gebäudes
sowie an den Fragmenten der Giebclstatuen bemerkt man endlich eine
grosse Menge von Löchern und Vertiefungen, welche (letztlich beweisen.
dass hier die mannigfaehsten Gegenstände aus Metall und ohne Zweifel
vergoldet, befestigt gewesen sind: Waffen, Zäume, Ringe, Spangen, Kopf-
zierden, Scepter und andre Utensilien. So bemerkt man an dem genannten
Kopfe der Minerva noch die Spuren, wo der Helm aufsass, auf ihrer Aegis
das Loch in der Mitte, wo das Gorgonenhaupt, und in den Ecken der-
selben andre Löcher, wo die Troddeln oder Schlangen befestigt waren.
U. dergl. m. 1).
Der Apollo-Tempel zu Bassae. An den Reliefs, welche die
Friese der hypäthralen Cella schmückten, hat man zwar keine Farbe mehr
entdeckt, doch ist deren Anwendung an einzelnen Theilen durch mehrere
Umstände glaublicli; dadurch nämlich, dass bei einigen Figuren der Schwert-
riemen fehlt, bei andren der Riemen der Schilde, welche über den Rücken
hängen; und dass bei einer der Amazonenfiguren der Rand des Stiefels,
welchen die übrigen tragen, nicht plastisch ausgedrückt ist. Einige Schwer-
ter und- die Zäume sind ohne Zweifel wiederum aus Metall angefügt
gewesen, wie sich auch hier aus den eingebohrten Löchern ergiebt 2).
Tempel der Minerva auf Aegina. Ueber die Farbenreste, welche
an den altcrthümlichen, aus feinem parischem Marmor gearbeiteten Giebel-
statuen dieses Tempels nach ihrer Aufgrabimg gefunden wurden, besitzen
wir ebenso ausführliche wie unbefangene Nachrichten. Die Farben, von
denen noch Spuren zu entdecken waren, bestanden aus einem dunklen
Zinnober-artigen Roth, welches sich besonders gut erhalten hat, und aus
einem lichten Blau. Das Tympanum des Giebels war blau, die schmalen
Plinthen, auf welchen die Figuren standen, roth 3). Die Helme zeigten
Spuren von blauer Farbe; der I-lelmbusch oder Haarschweif war roth. Der
Helm eines einzelnen Kopfes scheint mit einer netzartig sich überkreuzen-
den Perlenschnur bemalt gewesen zu sein, wie aus der Verwitterung der
Zwischenräume zu ersehen, während jenes Netz, durch die enkaustigche
Farbe (von der noch_ blaue Spuren sichtbar waren), reiner erhalten ist. Die
Schilde waren von aussen blau angestrichen, bis auf einen Finger breit vom
äussersten Rande, wo eine eingeritzte Cirkellinie die Farbe abschneidet;
auf dieselbe Art war das "Innere der Schilde roth gefärbt. Die Köche;- der
Pfeilschützen zeigten, der eine Spuren von blauer, der andre von rother
Farbe. Die Aegis der Minerva war sehuppenartig bemalt. Am Gewande
der Minerva fand sich eine rothe Farbenspur, nach der Annahme des
Berichterstatters nur der Rest eines unteren Saumes. Die Sohlen waren
roth; die Riemen und Bänder, womit dieselben befestigt, waren nicht
i) Visconti, a. a. O. p. 8 11'. 2) v. Stakelberg: der Apollo-Tempel zu
Bassae, S. 76 und '79. Aus den obigen, sehr geringfügigen Anzeichen sehliesst
Stakelberg (S. 80), dass ursprünglich das ganze Bildwerk ausgemalt war;
und Andre (Völkel, archäol. Nachlass S. 80; Iiaoul-Rochette, joum. des sav. 1833,
p, 361) haben gerade diesen Schluss als ein gültiges Zeuguiss genommen und
darauf weiter gebaut. So ist es freilich leicht, eine polychrome Sculptur, deren
Absicht unfehlbare Illusion gewesen wäre, zu erweisen. 3] Die Oberfläche der
Plinthen ragte jedoch nicht hervor, indem dieselben in die Platten des Gesimses
eingelassen waren S. Gockerell im Journal of science and the arte, Art. XV,
pl. I, ßg. 2: