Ueber
Polychromie
die
griechischen
der
Architektur etc.
305
War schwerlich durch eine Farbe von der Mauer unterschieden, da er, wie
bereits bemerkt, nicht als gesonderter Architekturtheil zu betrachten ist.
Die anderweitigen Gesimse ebenfallsmach den obigen Principien bemalt;
als oberes Hauptglied gewöhnlich ein breites Band mit Palmetten. Die
Deckbalken weiss, mit Eierstäben. Der Grund der Cassetten dunkelfarbig
mit vor-leuchtenden Sternen.
Die änssere Wand der Cella scheint einer von denJenigen Theilen, der
zunächst einen vollkommenen Anstrich mit Farbe gestatten mochte; die
Säulenstellung musste sodann im Acusseren um so bedeutender hervor-
treten, Doch ist es wiederum die Frage, 0b man_ an. den Langseiten der
peripteren Tempel eben eine solche Wirkung beabsichtigt habe. Im Gegen-
theil ist es fast wahrscheinlicher, dass man dieselbe auf die schmaleren
Hauptseiten, um diese auch liiedurch bedeutender erscheinen zu lassen,
beschränkte, indem hier die Tiefe der Vor- und Hinterhalle. schon von
selbst jenen bedeutendercn Grund bilden musste. Diese Ansicht scheint
durch eine Aeusserung Vitruv's bestätigt zu werden, welcher die Saulen-
stellung als in der Absicht erfunden nennt, um durch das Abstechende der
Zwischenweiten dem Gebäude ein stattliches Ansehen zu geben, und
zugleich den von Hermogenes zuerst eingeführten Dipteros rühmt, bei dessen
grösserer Tiefe des Peristyls die Zwischentiefen bekanntlich von grösserer
Schattenwirkung sind. Diese grössere Schattenwirkung konnte aber nicht
wohl erstrebt werden, wenn dieselbe schon insgemein durch dunklere Farbe
vertreten wurde i).
Das Innere der kleinen Tempelcellen mochte sehr verschiedenartig
decorirt sein; unter anderm wissen wir namentlich von dem sehr häufigen
Schmuck derselben durch wirkliche Gemälde. Das lnncre der Hypäthren
nähert sich zwar im Allgemeinen der Anordnung des Aeusseren; doch
dürfte hier ein farbiger Anstrich der Wände eher vorauszusetzen sein, da
hier ohne Zweifel plastische Kunstwerke mannigfaltiger Art aufgestellt
waren, denen ein dunkler Grund günstig sein mochte. Wir erinnern an
das, was bereits oben bei Gelegenheit des Tempels von Olympia geäussert
.wurde 2).
In der ionischen Ordnung wird sich im Wesentlichen dasselbe
Gesetz, wie in der dorischen, wiederholt haben; auch hier sind die Haupt-
theile des architektonischen Gerustes Säule, Architrav, Häiigeplatte
als farblos anzunehmen. Unstreitig wird der Schmuck der Gliederungen
auch hier in reicheren Farben ausgeführt worden sein, wie derselbe sich
schon häufig, für eine vollere Wirkung des Details, Elastisch vorgearbeitet
zeigt, Besonders gilt dies von den mannigfaltigen Aierden der Kapitale,
von den Blumen des Halses, von den Sävmen, vor Allem aber von den
Augen der Sehnet-ken, wo ohne Ziveifel Gold als wirksamstes Farbenmotiv
eintrat. Der Fries, welcher hier als bedeutendster Schmuck erscheint, muss
folger-echt in seiner ganzen Ausdehnung einen farblgen (blauen) Grund
gehabt haben.
1] Vitruv. l. III, c. II. Vitruv führt zwer noch einen anderen Grund für
die Eründung des Dipteros an, dass nämlich be1 der dabei Statt findenden grös-
seren Breite des Säulenumgangas derselbe einer um so grösseren Menschenmenge
Zum Schutzg gegen etwanige plötzliche Regengiisse dienen konnte. Wir müssen
iudess Bestehen, dass ein Grund der Art, der emen Bezug auf das Allerzufälligste
nimmt, nicht wohl als bestimmend für die Erfindung elnes Kunstwerkes gelten
ka-Tlü- 2) S. oben S. 259.
Kugler, Kleine Schriflcn. l. 20