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Pulychromie.
ltike
Gesammt-Princip dürfen wir die farbigen Reste an den Monumenten der
verschiedenen Länder berücksichtigen, wenn wir ein System der Poly-
phromie, wie es in der edelsten Entfaltung der griechischen Architektur
Statt gefunden habentdürfte, entwickeln wollen; wie unstatthaft das Gegen-
theil ist, braucht im Einzelnen nicht mehr dargethan zu werden 1).
Im Allgemeinen leitet uns hiebei der oben dargelegte Grundsatz: dass,
wenn nicht auch andre, so doch bestimmt die aus edlem weissem Marmor
aufgeführten Gebäude der Blüthezeit Griechenlands (d. h. eben die Mehr-
zahl der attischen) in ihren Haupttheilen den Stein in seiner eigenthüm-
liehen Farbe gezeigt haben; dass also die Bemalung nur auf untergeordnete
Details zu beziehen ist. Wir betrachten nunmehr die einzelnen Ordnungen
in dieser Rücksicht.
In der dorischen Ordnung treten uns zunächst zwei verschiedene
Formen entgegen, welche ihrer Natur nach auf eine Bemalung Anspruch
machen, und ohne eine solche nicht zu verstehen sind. Dies sind die
Metopen des Friescs und jenes über-schlagende Glied, welches in den ver-
schiedenen Gesimsen angewandt ist.
Die Metopen stellen, wie wir im Vorigen gesehen haben, eigentlich
offene Räume dar, um einen Schmuck an Bildwerk aufzunehmen. Da der
nothwendige festere Zusammenhang des Gebälkes aber eine massive Aus-
füllung dieser Räume gebot, so wurden dieselben mit Platten ausgesetzt.
auf welchen der bildliche Schmuck in Relief dargestellt ist. Der Grund
dieser Reliefs muss demnach stets durch eine dunklere Farbe bezeichnet
gewesen sein, um auf der einen Seite die Triglyphen als die eigentlichen
Träger des Kranzgesimses, auf der anderen Seite die Reliefs genügend her-
vorzuheben. Auch wo letztere nicht vorhanden waren, ist ebenso eine
dunklere Farbe in den Metopen vorauszusetzen, deren schwere Fläche
sodann jedoch ohne Zweifel durch ein lichter gehaltenes Ornament unter-
brochen war. Dorische Friese, deren Metopen, wie so häufig in der
modernen Kunst, weder durch Reliefs, noch durch Farbe geschmückt sind,
erscheinen nicht nur lastend, sondern die Form der Triglyphen an ihnen
auch völlig bedeutungslos. Ueber die Farbe der Metopen an den attigchen
Monumenten haben wir keine genügende Nachricht, doch lassen überwie-
gende Gründe einen blauen Anstrich voraussetzen: es ist die Analogie mit
den inneren Friesen dieser Gebäude, an welchen die darauf enthaltenen
Reliefs durch einen blauen Grund hervorgehoben wurden; ebenso war das
Giebel-Tympanum des äginetischen Tempels hinter den Statuen nach über-
einstimmenden Nachrichten blau gefärbt. An sieilischen Monumenten findet
man zwar rothe Farbenreste auf den Metopen, doch dürfte dies eben als
eine besondere Eigenthümlichkeit jener Gegend gelten 2).
Das in den Gesimsen angewandte überschlagende Glied hat an
sich keine Bedeutung, sein Profil drückt auf keine Weise irgend eine selb-
ständige Kraft und Bewegung aus. Aber sehr viele Reste von Farben und
leicht eingeritzten Umrissen bezeugen uns, dass dies Glied stets nur auf
4) Auf diese letztere Weise verfährt Hittorif in seiner Restauration des Empe-
docles-Tempels [Annali dell' inst. di corrisp. arohwt. II, p. 263 ß], indem er
für jedes einzelne Detail irgend eine beliebige Autorität verführt, und damit
auch das Ganze autorisirt glaubt. z) Bröudsted (Reisen und Untersuchungen
in Griechenland, B. II, S. 147) nimmt für den Parthenon eine rothe Farbe der
Metopen an, indem er sich auf das allgemeine Zeugniss der Monumente beruft;
er scheint jedoch ebenfalls nur sicilische im Sinne zu haben.