Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Antike Polychromie. 
Echinus des Kapitäls ladet somit stärker (in einer mehr gegen die Hori- 
zontale geneigten Linie) aus; aber auch diese Linie hat jenen weicheren, 
schwereren Charakter und springt gleichweit mit dem Abakus vor. Ebenso 
hat der Hals auch hier drei Einschnitte, wie an den genannten Monumen- 
ten. Man hat aus den niedrigen Verhältnissen und den eben angegebenen 
Formen auf ein hohes Alter dieses Gebäudes geschlossen, und im Allge- 
meinen bezeugt es der Entwickelungsgang der Baukunst, dass sie vom 
Schwereren zum Leichteren fortschreitet; "doch sind hier einige andre 
Umstände nicht ganz ausser Acht zu lassen. Auffallend ist nämlich die 
rohe Weise wie die Einschnitte des Halses, besonders aber die Riemchen 
unter dem Echinus des Kapitäls gebildet sind 1). Das Profil der letzteren 
ist nur aus geraden Linien zusammengesetzt, was so wenig jener weich- 
geschwungenen Form des Echinus entspricht, als es irgend an andren der 
älteren dorischen Tempel (auf der Burg von Selinunt in Sicilien und_ zu 
Aegina) vorkommt; im Gegentheil linden sich die geradlinigen Proiiliruirgen 
der Art wesentlich erst in den Zeiten des Verfalls der griechischen Kunst. 
Vielleicht dürfte dieses Gebäude demnach in eine spätere Zeit der Kunst, 
etwa in das dritte Jahrhundert v. C. Gn, zu setzen sein, da man absichtlich 
alterthümliche Formen, welche man vorgefunden, aber nicht mehr vollkom- 
men verstanden hatte, wiederum in Anwendung brachte. Mit Bestimmtheit 
werden wir dieselbe Annahme von dem Minerven-Tempel auf der Ortygia 
zu Syrakus, der viel Verwandtes mit den korinthischen Resten und nur 
ungleich mehr Erhaltenes zeigt, (lnrchführen können. 
Die übrigen bisher bekannt gewordenen pelopoirnesischen Reste, von 
Nemea, Messene u. s. w. gehören, in ihren meist eharakterlosen Formen, 
einer späteren Zeit an, welche die ursprünglichen Eigenthümlichkciteu 
bereits verwischt hatte. Gleichwohl ist auch hier, zu Messene, ein jüngst 
entdeckter dorischer Tempel in antis zu erwähnen 2), dessen Kapitale in 
dem starken kehlenartigen Anlaufe unter den Riemen an ein besonderes 
alterthümliches Motiv erinnern, welches im Westen, besonders zu Metapont, 
seine älteren Vorbilder zeigt. 
Noch ist hier endlich ein sehr wichtiges Monument zu berücksichtigen, 
welches, als in nächster Nachbarschaft zum Peloponnes gelegen, auch in 
gegenseitigem Verhältniss mit dessen Architekturen steht,  der Minerven- 
Tempel auf Aegin a. Ein gewisses höheres Alter desselben, als noch vor 
die Kunstblüthe der pcrikleisehen Zeit fallend, ist dem Styl seiner Giebel- 
statuen zufolge mit Bestimmtheit anzunehmen. Hier hat das Kapital der 
Säulen wiederum eine ähnliche Bildung, wenngleich die Linie des Echinus 
an sich minder schwer geschwungen ist. Ebenso zeigt der Hals dieselben 
dreifachen Einschnitte. Alterthümlich und den älteren Monumenten ver- 
wandt, zeigt sich hier ferner das Kranzgesims, indem die hängende Platte 
von einem beträchtlich schweren übersehlagenden G-liede bekrönt wird und 
der Streif zwischen der Platte und den Dielenköpfen ebenfalls von einer 
bedeutenden Breite erscheint. Nur das Antenkapitäl dieses Tempels hat 
nichts Näheres mit jenen von Bassae und Olympia gemein; dies ist in der- 
selben strengen und schweren Weise, wie an den meisten sicilischen Monu- 
menten gebildet 3).   
Suchen wir aus dem Vorigen nunmehr (wie wir vornehmlich durch die 
11 
34. 
Alterthülner von Athen, Thl. III, c. 10. 
 3) Alterthümer von Jonien, c. VI. 
Abel Blouet
	        
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