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Polychromie.
Antike
völlige Ausartung, in welcher sie auftreten, namentlich die verworrene und
überladene Weise, in welcher die Volutenkapitäle angeordnet sind. Wir
finden hier also die Spuren einer hochalterthümlichen orientalischen Formen-
bildung und einen leisen Zug von Verwandtschaft mit der altgriechischen.
Als aber der klar durchgebildete attische Geist dieseFormen zur
Anwendung brachte, so hauchte er auch ihnen den Adel und den Ernst
ein, welcher Alles charakterisirt, was in der glücklichen Zeit des Perikles
gedacht und gebildet ward. Man vergleiche vornehmlich die straife, gleich-
mässig elastische Form der attischcn Basen am Erechtheum und
am Ilissus-Tempel mit denen der Gebäude im ionischen Klein-Asien.
Auch die ungemein anmuthige, leicht elastische Form des ionischen
Antenkapitäles scheint eine attische Erfindung, während die, freilich
nur vereinzelten Beispiele dieses Details an den besseren Monumenten Klein-
Asiens (an den Propyläen zu Priene und am Apollo-Tempel zu Didymö)
eine Form usurpirt zu haben scheinen, die mehr der selbständigeren Säule
angemessen ist l).
Monumente
des
Peloponnes.
Nach einer andern Seite hin finden wir eine Reminiscenz jener pelas-
gischen Basis an den Basen der ionischen Halbsäizlen im Innern des Apollo-
Tempels von Bassae in Arkadien 2). Ucber einer Hohlleiste von höherem
Verhältniss erhebt sich hier ein Pfühl, an welchem der Schaft mit einem
Anlauf von beträchtlicher Ausladung, jenem Obergliede der pelasgischen
Basis sehr ähnlich, ansetzt. Auch die etwas reicher zusammengesetzte Basis
der einzelstehenden korinthischen Säule dieses Tempels enthält eine ver-
wandte Formenbildung. Von der ionischen Ordnung kennen wir bis jetzt
leider keine weiteren Beispiele im Peloponnes 3).
Die äussere Ordnung des genannten Tempels ist dorisch, doch wiederum
mit gewissen, von den attischen Gebäuden abweichenden Eigenthümlich-
keiten. Was zuerst die Form des Säulenkapitäles betriift, so ist das Profil
des Eehinus in einer etwas schwereren Linie gezeichnet, und derselbe ladet
in seinem äussersten Punkte gleichweit mit dem Abaeus aus, während
letzterer bei den attischen Monumenten stets um ein Weniges vorspringt.
Auch hat der Hals hier drei Einschnitte, bei den genannten hlormmenten
stets nur einen.
Dieselbe Eigenthümliclllteit zeigt sich an den Säulen des Jupiter-Tem-
pcls von Olympiaß).
i) Die besondere Schönheit des genannten Kapitäles von Didymö, unter den
Verhältnissen in welchen dasselbe dort angewandt war, sind wir durchaus ent-
fernt zu verläugnen. Nur scheint es in der That, und es wird sich noch weitere
Bestätigung linden, als ob man sich dieser Form auch, wie eben zu Priene, unter
Verhältnissen bediente, wo nur ein leichtes Kopfgesims schön sein konnte. Die
römischen Pilasterkapitäle geben uns hinlängliche Beispiele eines solchen Miss-
brauches. z) Vergl. über diesen Tempel: Donaldsßn, im Supplement zu den
Alterthümern von Athen. c. III; und Abel Blouet, Expedition scient. de Marc's,
V. II, pl. 4-29. In Arkadien hatte sich bekanntlich am meisten Pelasgisches,
nach der sogenannten Einwanderung der Dorier, erhalten. it) Von dem Tempel
der Minerva Alea zu Tegea in Arkadien, der im Aeusseren einen _ionischen
Peristyl hatte, im Inneren von dorischer Ordnung und mit einer lrorlnthischen
Gallerie versehen war, sollen noch Reste vorhanden sein. Zur Zeit ISt uns über
dieselben leider noch nichts Näheres bekannt. 4) Vßfßl- Abel Blouetv 3- a- 0-
V. I, pl. 02-78.