Bilderhandschriften des Mittelalters.
erste, z. B. 1) Christus, der das Kreuz trägt; 2) Abraham mit Fackel und
Schwert und Isaak, der das Holz zur eignen Opferung trägt; 3) der Wein-
berg, nach der Parabel, 'w0 der Sohn des Herrn von den ungetreueu Knech-
ten erschlagen wird; 4) Kaleph und Josua. mit der ungeheuren Traube. Das
Kostüm ist durchaus das der Zeit des Künstlers und in vielen Einzelheiten
belehrend; die Patriarchen des alten Testaments erscheinen als wackre
Ritter des vierzehnten Jahrhunderts. Die künstlerische Behandlung ist sehr
schlicht; es sind einfach colorirte, fast rohe Feder-Zeichnungen auf dem
weissen Pergamentgrirnde. Von höherem Kunstverdienste ist somit nicht
die Rede; aber das heiter Naive, was durch diese Bilder geht, das ächt
Volksthürnliche der ganzen Darstellungsweise giebt ihnen doch ein eigen-
thümliches und für jene Zeit vielleicht charakteristisches Interesse.
WERIN HER
VON
TEGERNSEE
und
die
Bilder
seines
Gedichtes
VOIII
Leben
Maria.
der
Die folgende Abhandlung enthält den zweiten und dritten Abschnitt
meiner Inaugural-Dissertation: „De Werinhero, saeculi XII. monacho
Tegernseensi, et de picturis minutis, quibus carmen suum theotiscum de
vita B. V. Mariae ornavit" (Berlin, 1831). Der erste Abschnitt, der Ver-
such einer allgemeinen kunstgeschichtlichen Einleitung, ist antiquirt und
daher hier nicht wieder aufgenommen.
Anfänge
VOD
Tegernsee.
Das Christenthum war in Baiern zu Anfange des siebenten Jahrhun-
derts, von Franken aus, eingeführt worden. So fand Bonifacius schon einen
Grund gelegt, auf welchem er auch hier, gegen die Mitte des achten Jahr-
hunderts, sein grosses Werk der Bekehrung des deutschen Volkes feststellen
konnte. Er errichtete unter dem Herzog Odilo und dessen Sohne Thassilo
vier Bisthümer, sorgte dafür, dass Kirchen und Klöster gebaut wurden, und
legte insbesondere durch die Verbreitung jenes Instituts, welches der heil.
Benedict von Nursia im Anfange des sechsten Jahrhunderts gestiftet hatte,
den Grund zu einer tieferen geistigen, sowohl wissenschaftlichen, als auch
künstlerischen Bildung des Volkes. Denn indem die Regel des h. Benedict
im Allgemeinen darauf hinausging, der Unthätigkeit im Klosterleben vorzu-
beugen, so wird darin unter anderen Beschäftigungen ausdrücklich auch die
des Künstlers genannt i).
In diese Zeit fällt, gleichzeitig mit der Stiftung einer bedeutenden An-
zahl anderer Klöster in Baiern, auch die von Tegernsee 2). Die Grafen
i) Regula S. Benedicti, C. 57; 0- 66. Hist. fundationis monast. Tegern-
seensis, in: Pezii thesaus. anecdott. eceles. T. III. P. III. p. 475J71-Restauratio mo-
nast. Tcgems. per Ottonem II. Imp. in den Monumentis Boicis. T. VI. p. 154.
M. Freiherr von Freyberg: Aelteste Geschichte von Tegernsee. München,
1822. S. 15.