Ueber
der griechischen
Polychromie
die
Architektur etc.
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vorgelegt und, man darf es wohl sagen, wenigstens unter den Jüngeren
hiemit einen förmlichen Enthusiasmus erweckt; die Formen der griechischen
Architektur schienen erst- jetzt verständlich zu werden, erst auf solche
Weise sich zu einem bewegten, lebendigen Ganzen zusammen zu fügen.
Freilich mochte man bei dem ersten flüchtigen Eindrueke nicht wohl geson-
dert haben, wie sich althellenische Gefühlsweise, Sitte und Natur zu dem
modernen, "form- und farblosen Norden verhalten, welcher letztere eben
zu seiner Belebung grössere Mittel in Anspruch nimmt.
Nach diesen Andeutungen finden wir also auf der einen Seite entschie-
dene Verläugnung und Verwerfung, auf der andern entschiedene Aner-
kennung und Werthsehätzung der Polychromie. Bei der grossen Wichtig-
keit, die dieselbe für das Verständniss der gesammten griechischen Kunst
hat, bei dem bedeutenden Einflusse, den die griechische Kunst auf die
unsrer Zeit als ihre Schule ausübt und ausüben muss t), scheint eine unbe-
fangcne Erörterung jener _streitigen Meinungen sehr an der Zeit. Eine
solche vorzulegen, ist die Absicht der folgenden Zeilen. WVir werden ein-
fach die Nachrichten der Alten über diesen Gegenstand und die Unter-
suchungen neuerer Forscher nebeneinander stellen und versuchen, 0b sich
hieraus ein genügendes Resultat gewinnen lässt. YVir werden Architektur
und Plastik, die unter sich in einem nothwendigen Zusammenhange stehen
und eins das andre ergänzen, in diesem ihrem Zusammenhange berücksichti-
gen, dieselben jedoch, der leichteren Uebersichtliehkeit wegen, gesondert
betrachten.
ARCHITEKTUR.
Zeugnisse
alter
Schriftsteller.
Pausanias erwähnt in seiner Beschreibung von Athen unter den dortigen
(iterichtshöfen zweier, welche der Grüne und der Rothe nach ihren Farben
hiessen und denen diese Benennung bis auf seine Zeit geblieben war 2).
Die einfachste Schlussfolgerung scheint demnach, anzunehmen, dass diese
Gebäude grün und roth ausgemalt waren. Wenn wir jedoch wissen, dass
die zehn Gerichtshöfe Athens sämmtlich, wie durch die zehn ersten Buch-
staben des Alphabets, so auch durch verschiedene Farben bezeichnet waren,
dass die Anwendung dieser Farben sich, wie es aus den Worten des Pau-
sanias hervorgeht, aus älterer Zeit herschrieb und für die der Schrift Unkun-
digen eingeführt war, indem sie, gleich Jenen Buchstabenzerchen, nur dazu
diente, den einen Gerichtshof von dem andern zu unterscheiden, so werden
wir eher mit den verschiedenen Ausleger-n dieser Stelle dahin überein-
stimmen, dass jene Farben nur als ein gewisses Ornament, 61H Abzeichen
an der Pforte der Gerichtshöfe (oder vor derselben ein streitiger Punkt,
dm- für unsre Untersuchung minder wichtig ist) zu betrachten sindß). Wollen
wir jedoch, da letzteres nicht mit vollkommenster Gewissheit zu erweissen
Wir wollen dabei jedoch das Epigramm von der Binde der Leukothga
nicht; vergessen. 2) Pans. l. I, c. XXVIII 8. 3) Vergl. Siebelis: Pau-
saniae Graeciae desvr. Adnott. ad. l. I, c. XXVIII, 8, (p, 104; Akerblad;
Sopm alcune la-mineitc di bronzo etc. in den Atri delP Accadenzia Romana, d'Ar..
vhvolugia T. 1, P. I, p. 46 sqq. Raoul-Rochette: De la peinture sur mur
vhcz Ics anciens im Journal des savczns, 1833, Juillet, p. 440,