Künstler-Geschichten,
mitgetheilt von August Hagen
Gtß.
247
buhler des Filippo Lippi gemacht (nämlich nicht in der Kunst, sondern
in der Liebe) während er gleichwohl dreissig bis vierzig Jahre jünger ist;
und er muss gleichzeitig mit jenem sterben, während sein Tod über funfzig
Jahre später erfolgt ist. So schaut Leonardo da Vinci dem Masaccio bei
seinen Arbeiten in der Kapelle Brancacci als ein schon erwachsener Jüng-
ling zu, während er erst etwa neun Jahre nach dessen Tode geboren wurde.
Ja der Verfasser geht soweit, dass er die Vollendung der Kapelle Bran-
t-acci, welche bekanntlich ein Werk des jüngeren Filippo Lippi (zum Unter-
schiede vom Vater gewöhnlich Filippino genannt) ist, dem älteren Filippo
selbst zuschreibt. Dergleichen muss nothwendig wenigstens dem Laien,
für den doch ein Buch, wie das vorliegende, zunächst geschrieben ist,
mannigfache Verwirrungen erregen.
Auch Anderes können wir nicht umhin zu rügen. Die Art z. B. wie
der Verfasser das düstere, phantastische WVesen des Piero di Cosimo aufge-
fasst hat, scheint uns keinesweges in der Biographie desselben bei Vasari
begründet zu sein. Bei letzterem erscheinen alle seine Seltsarnkeiten als
Ergebniss einer bizarren, hypochondrischen Laune, oft nicht ohne eine
gewisse Gutmüthigkeit, während ihn der Verfasser zu einem dreifachen
Mörder stempclt. Er muss, weil er Kindergeschrei nicht hören kann, ein
eignes Kind umgebracht, er muss dem Masaccio und dem Filippo Lippi
das Gift, dem man beider Tod zuschreibt, beigebracht haben. Es dünkt
uns im Gegentheil, als ob die ganze Darstellung des Verfassers ungleich
gewonnen haben würde, wenn all jene Tollheiten des Piero eben ohne
einen solchen besonderen Grund geblieben wären; er hätte alsdann eine
treftliche komische Person gegeben. Auch hätte der Verfasser füglich eine
andere Person als böses Princip benutzen können, wenn er darum sonst
verlegen war; wir meinen nämlich den Andrea del Castagno, dessen Name
in der Geschichte genügsam gebrandmarkt ist und den der Verfasser nur
obenhin erwähnt; schon die Art wie er bei Vasari sich in das Ver-
trauen des Domenico Veneziano einschleicht, ihm dann das Geheirnniss
der Oelmalerei ablockt und ihn Abends bei der Serenade ermordet, bietet
trefflichsten Stoff zu einer Novelle.
Endlich auch hätten wir wohl gewünscht, dass der Verfasser, indem
er die vorzüglichsten Florentiner des funfzehnten Jahrhunderts, indem er
selbst so späte Meister, wie den Leonardo da Vinci, aufführt, manch einen
Andern nicht so ganz übergangen habe. Wir meinen vornehmlich den
Domenico Ghirlandajo, dessen kirchliche Gemälde, mit den Portraits seiner
Zeitgenossen, recht als eine Verherrlichung der tlorentinischen Republik
zu betrachten sind, der überhaupt unter den Malern seiner Zeit unstreitig
einer der ersten ist. _
Doch genug dieser einzelnen Ausstellungen, wo so viel des lreftlrchen,
im Ganzen so Genügendes und Empfehlenswerthes geleistet ist. Das Buch
wird sich, bei dem gegenwärtigen grossen Interesse für die Künstler jener
Zeit, gewiss viele Freunde und Leser erwerben; es eignet sich besonders
zum Vorlesen und zur Vergleichung mit den zum Theil reichlich vorhan-
denen Kupferstichen nach Werken der bezüglichen Künstler.
Die Dedication des Buches lautet: „Herrn Geheimen Oberbaurath, Pro-
fessor und Ritter Schinkel , I-Ierrn Professor und Ritter Rauch und Herrn
Professor und Ritter Wach, des erhabensten Herrschers erhabenen Künst-
lern." Der zweifache Titel lässt eine Folge ähnlicher Künstlergeschichten
erwarten, wie der Verfasser bereits früher ein Buch der Art, „Norica"