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Berichte und Kritiken.
die angegebene Bestimmung des Alters der Martins-Kapelle von selbst
zusammen, und wird, im Fall man jene ngrösste Aehnlichkeit" mit der
genannten Marienkirche gelten lässt (die freilich zwischen einer von Säulen
getragenen Rotunde und einer weitschiffigen, auf Pfeilern ruhenden Kreuz-
kirche nicht allzugross sein dürfte) in eine beträchtlich spätere Zeit hinab-
zurücken sein. Doch auch ohne Vergleich mit anderen Gebäuden bestimmt
sich das Alter der Martinskapelle, sogar aus der einfach äusseren Ansicht
des Gebäudes, von selbst. Hier zeigt sich bereits ein ausgebildetes System
jener durchlaufenden Friese mit nebeneinandergestellten, wenig erhabenen
kleinen Rundbögen, von denen sich, in gemessenen Entfernungen, Lissencn
herniederziehen; ein System, welches die Massen des Gebäudes bereits auf
eine anmuthige Weise sondert. Bekanntlich gehört dasselbe dem mehr
massenhaften rundbogigen (romanischen) Baustyle an, welcher seine ersten
Anfänge im zehnten Jahrhundert hat, sich im elften ausbildet und im
zwölften bereits zu einer besondern Anmuth, häufig sogar Zierlichkeit ent-
wickelt. Vor dem zehnten Jahrhundert ist von Anfängen der Art noch
nichts zu bemerken; die Zeit der Karolinger befolgt, wie jeder Geschichts-
kundige weiss, in den Gegenständen der höheren Kultur, überall noch
antike (wenn auch entstellte) Vorbilder. Somit würde die Martinskapelle
erst in das elfte, wenn nicht gar, möglicher Weise, in das zwölfte Jahr-
hundert gehören. Denn „der Geschichtsforscher (ich bediene mich der
Ausdrücke des Hrn. Verfassers) darf eine immer wiederkehrende Thatsache
nie aus den Augen verlieren, dass nämlich in den Zeiten, wo wesentliche
Veränderungen in der Baukunst eintraten, und ziemlich lange nachher, die
ältere Bauart bei manchen Gebäuden noch angewendet wurde" u. s. w.
Als das nächst der Martinskapelle älteste Gebäude dieser Gegenden
nennt der Verfasser die erwähnte Stiftskirche St. Maria auf dem
Kapitol in Köln, welche von der Plectrudis, Gemahlin des Pipin von
Heristal, im Jahre 700 errichtet sei. "Das Gebäude der Marienkirche (sagt
er) ist, soviel ich weiss, das einzige von dieser Bedeutung und Vollstän-
digkeit, welches irgend aus dem siebenten oder achten Jahrhundert noch
besteht. Die Hauptanlage desselben ist noch ganz in ihrer
ursprünglichen Gestalt erhalten." InBezug auf diese Angaben nur
Folgendes. Jedermann weiss, wie im höchsten Grade schwierig das Alter
der Gebäude gerade in diesen dunkelsten Jahrhunderten des Mittelalters zu
bestimmen ist, wie sehr viel also darauf ankommt, ein f estbestimmtes
bedeutenderes Gebäude dieser Zeit zu haben, um aus dem Styl desselben
Schlussfolgen für andere zu ziehen. Der Verfasser indess begnügt sich mit
der einfachen Angabe, dass die genannte Kirche die im Jahre 700 errich-
tete sei, ohne dabei auch nur den geringsten Zweifel zu äussern, geschweige
denn zu widerlegen. Doch giebt es ohne Zweifel kaum etwas Unpassen-
deres als die Annahme, dass dies oder jenes, an einem bestimmten Orte
erhaltene Gebäude einer bestimmten Frühzeit der Geschichte zugeschrieben
werden müsse, und dies aus keinem andern als dem einzigen Grunde, dass
in jener Frühzeit ein Gebäude desselben Namens an demselben Orte vorhan-
den war. Die gegenwärtige Kirche Maria auf dem Kapitol enthält aber, im
Ganzen wie in den Details, so durchweg die Eigenthümlichkeiten eines
beträchtlich späteren Styles, dass wir jene ganz vage Angabe ihres Alters
auf keine Weise gelten lassen dürfen. Hier ist nichts mehr von dem anti-
kisirenden Charakter zu bemerken, der den Gebäuden des siebenten und
achten, selbst noch des neunten Jahrhunderts eigen iSl; nichts mehr von