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Berichte
Kritiken.
den Zeitgenossen sehr gefallen, den Vornehmen zum Schmuck eines fest-
lichen Zimmers vor vielen Willkommen sein musste. Auf Originalwieder-
holungen deuten auch die verschiedenen Gegenstände, welche bei den ver-
schiedenen Bildern, wie zur Benennung derselben, in der emporgehobenen
Schaale vorgestellt sind.
Sehr wichtig endlich dürfte es für uns sein, zu erforschen, welche
Stelle unter diesen verwandten Bildern das unsrige einnimmt: ich will nur
versuchen, über das Verhältniss, in dem es zu dem Madrider Bilde steht,
welches ich als den eigentlichen Mittelpunkt, als die Hauptdarstellung
bezeichnet habe, eine Andeutung zu geben. Unser Bild ist ohne Zweifel
ein früheres. In allen Theilen erscheint dasselbe als einfaches Portrait,
zwar als ein Portrait ersten Ranges, doch überall nur als Nachbildung der
einzelnen Natur mit ihren Zufälligkeiten und Besonderheiten. Zu dem
Madrider Bilde aber steht es gewissermassen, wenn ich mich bei einem so
vollendeten Meisterwerke so ausdrücken darf, in dem Verhältniss einer
Studie, indem jenes viel, auch im Einzelnen Anklingendes zeigt, aber Alles
dem Zweck des dargestellten Momentes gemäss modiiicirt und verändert;
und zwar dies auf eine solche Weise, dass, was wiederum meist nur künst-
lerisch nachzufühlen ist, nie die Veränderungen in umgekehrtem Verhältniss
können Statt gefunden haben. Ueber die veränderte Stellhng überhaupt,
über die Züge und den Ausdruck des Gesichtes habe ich schon gesprochen;
Aehnliches wird auch an mehr untergeordneten Theilen bemerkbar, nament-
lich an dem schweren Kleide. In tniserem Bilde zeigt sich hier überall ein
bestimmter Modeschnitt und demgemäss, von der 'l"aille niederwärts, gewisse
eingenähte Falten. In dem Madrider Bilde ist, mit Ausnahme der Aerme],
ein ähnlicher Schnitt, mit ähnlichen Falten, selbst das Perlenschnürchen
um die Taille, beibehalten, doch werden, besonders eben im Faltenwtirf,
viel freiere Motive bemerkbar. Die Schulter sodann ist bei unserem Bilde
durch den höher hinaufgehenden Aermel bedeckt; bei jenem dagegen wird
der überaus zarte Ansatz der Schulter gegen den Hals hin bemerkbar; hätte
ein Künstler sich eine solche Feinheit, nachdem er sie einmal geschaffen,
bei einer Wiederholung entgehen lassen?
Ob aber Tizian unser Bild in der bestimmten Absicht gemalt, dasselbe
zugleich als Studie zur Salome zu benutzen, oder ob der Gedanke zu letz-
terer erst später, nach Vollendung des ersten, in ihm entstanden, wer
wagt es, in die geheime Werkstatt des künstlerischen Schattens einzudringen?
Malerische Ansichten der merkwürdigsten und schönsten Cathedralen, Kirchen
und Monumente der gothischen Baukunst, am Rhein, Main und an der Lahn.
Nach der Natur aufgenommen und gezeichnet von L. Lange, lithographirt
von Borum und andern Künstlern in München. Frankfurt. a. M. verlegt
bei Carl Jüge]. 1833.
(Museum,
1833
Dies Werk, davon die erste Lieferung uns so eben vorliegt, verspricht
einem schon lange empfundenen Bedürfniss abzuhelfen. WVas breher nämlich
in Bezug auf bildliche Darstellung und Herausgabe mittelalterllcher Archi-