232
und.
liericlnte
Kritiken.
Sprüngen und unzüchtigen Stellimgen den Tod des Heiligsten unter den,
von menschlicher Mutter Gebornen erkauft? Etwa darum, weil dieselbe
in diesem schönen Gesichte, in diesen Formen, welche Liebenswürdigkeit
zeigen und das Herz anziehen, statt Abscheu zu erwecken, als jene verruehte
Tänzerin, als jene Tochter der Herodias erkannt werden muss? Ungeachtet
dessen hat das Bild einen grossen Werth durch die Reinheit der Zeichnung,
durch die Harmonie und Schönheit des Colorits, welches von solcher Wahr-
heit ist, dass man das Blut unter derzarten Haut rinnen zu sehen glaubt.
Es genügt zu sagen, dass es von Tizian herrührt. Das Bild befindet sich
im Königl. Museum; es ist 3 Fuss 2 Zoll hoch, 2 Fuss 10 ZIgll breitul).
ose' lklzcsso y aliente.
Die spanische Lithographie lässt eine sehr bedeutende Aehnlichkeit des
Originales mit unserem Bilde erkennen: nur trägt hier das schöne Mädchen
noch mehr, lehnt sie sich noch mehr zurück, ist ihre Bewegung noch leiden-
schaftlicher. Und eben diese grösserc Leidenschaftlichkeit, dies kühnere
Vortragen der Schüssel, sowie das leichtere, prächtiger-e Kostüm und der
mehr fliegende Schleier, Alles dies giebt zu erkennen, dass hier eine Tän-
zerin dargestellt ist, deren Bewegungen noch von wildem, bacchantischem
Taumel erfüllt sind. Auch das Gesicht ist unverkennbar dasselbe, wie es
auf unserem Bilde verlockend auf den Beschauer blickt, nur mit leisen
Nuancen, welche wiederum für eine Salome nöthig waren und welche die
tiefe Weisheit des Künstlers zeigen: das Auge ist minder scharf, schwim-
mender, wollüstiger; die Nase ein wenig stumpfer, und um den schönen
Mund zuckt es, wie ein leiser Hohn.
Die Ausstellungen, welche der spanische Beschreiber an der Auffassung
des Gegenstandes macht, begreife ich nicht; es spricht 'sich_in denselben
ein gänzliches Verkennen, sowohl des Charakters der Salome, als des
Momentes aus, in welchem das Furchtbare geschah.
"Und es kam, so sagt die Schrift, ein gelegener Tag, dass Herodes auf
seinen Jahrstag ein Abendmahl gab den Obersten und Hauptleuten und
Vornehmsten in Galiläa. Da trat hinein die Tochter der Herodias und tan-
zete: und gefiel wohl dem Herodi und denen, die am Tische sassen.
Da sprach der König zum Mägdlein: Bitte von mir, was du willst, ich will
dir's geben. Und schwur ihr einen Eid Sie ging hinaus und sprach
zu ihrer Mutter: Was soll ich bitten? Die sprach: Das Haupt Johannis,
des Täufers. Und sie ging bald hinein mit Eile zum Könige, und bat
und sprach: Ich will dass du mir gebest jetzt so bald'auf einer Schüssel
das Haupt Johannis, des Tänfers. Und der Henker trug her sein
Haupt auf einer Schüssel, und gab's dem Mägdlein; und das Mägdlein gabls
ihrer Mutter." (Ev. S. Marci 6, v. 21.)
Musste das Mädchen, das zu nächtlicher Weile, den versammelten
Männern zur Augenlust, tanzte und ihnen wohlgefiel, nicht schön sein?
nicht unwiderstehlich schön, wenn der gutmüthige König, der dem Propheten
„in vielen Sachen gehorchte und ihn gern hörte" (a- a. O. v. 20), ihrem
Begehren so schleunig und ohne nur Ausfliichte zu suchen, willfahren liess?
Konnte die Hast, mit welcher sie selbst dem furchtbaren Befehl der Mutter
gehorsamte, anders als im bacchantischen Rausche möglich sein? konnte
sie wenigstens, anders aufgefasst, noch ein Gegenstand für wahrhaft künst-
lerische Darstellung bleiben? Und sind dies etwa. die reinen Zilge einer
Das
Berliner
Bild ist
Fuss
3 '12
ivll hoch
Fuss
W12
Zoll
breit.