Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

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und. 
liericlnte 
Kritiken. 
Sprüngen und unzüchtigen Stellimgen den Tod des Heiligsten unter den, 
von menschlicher Mutter Gebornen erkauft? Etwa darum, weil dieselbe 
in diesem schönen Gesichte, in diesen Formen, welche Liebenswürdigkeit 
zeigen und das Herz anziehen, statt Abscheu zu erwecken, als jene verruehte 
Tänzerin, als jene Tochter der Herodias erkannt werden muss? Ungeachtet 
dessen hat das Bild einen grossen Werth durch die Reinheit der Zeichnung, 
durch die Harmonie und Schönheit des Colorits, welches von solcher Wahr- 
heit ist, dass man das Blut unter derzarten Haut rinnen zu sehen glaubt. 
Es genügt zu sagen, dass es von Tizian herrührt.  Das Bild befindet sich 
im Königl. Museum; es ist 3 Fuss 2 Zoll hoch, 2 Fuss 10 ZIgll breitul). 
 ose' lklzcsso y aliente. 
Die spanische Lithographie lässt eine sehr bedeutende Aehnlichkeit des 
Originales mit unserem Bilde erkennen: nur trägt hier das schöne Mädchen 
noch mehr, lehnt sie sich noch mehr zurück, ist ihre Bewegung noch leiden- 
schaftlicher. Und eben diese grösserc Leidenschaftlichkeit, dies kühnere 
Vortragen der Schüssel, sowie das leichtere, prächtiger-e Kostüm und der 
mehr fliegende Schleier, Alles dies giebt zu erkennen, dass hier eine Tän- 
zerin dargestellt ist, deren Bewegungen noch von wildem, bacchantischem 
Taumel erfüllt sind. Auch das Gesicht ist unverkennbar dasselbe, wie es 
auf unserem Bilde verlockend auf den Beschauer blickt, nur mit leisen 
Nuancen, welche wiederum für eine Salome nöthig waren und welche die 
tiefe Weisheit des Künstlers zeigen: das Auge ist minder scharf, schwim- 
mender, wollüstiger; die Nase ein wenig stumpfer, und um den schönen 
Mund zuckt es, wie ein leiser Hohn. 
Die Ausstellungen, welche der spanische Beschreiber an der Auffassung 
des Gegenstandes macht, begreife ich nicht; es spricht 'sich_in denselben 
ein gänzliches Verkennen, sowohl des Charakters der Salome, als des 
Momentes aus, in welchem das Furchtbare geschah. 
"Und es kam, so sagt die Schrift, ein gelegener Tag, dass Herodes auf 
seinen Jahrstag ein Abendmahl gab den Obersten und Hauptleuten und 
Vornehmsten in Galiläa. Da trat hinein die Tochter der Herodias und tan- 
zete: und gefiel wohl dem Herodi und denen, die am Tische sassen. 
Da sprach der König zum Mägdlein: Bitte von mir, was du willst, ich will 
dir's geben. Und schwur ihr einen Eid     Sie ging hinaus und sprach 
zu ihrer Mutter: Was soll ich bitten? Die sprach: Das Haupt Johannis, 
des Täufers. Und sie ging bald hinein mit Eile zum Könige, und bat 
und sprach: Ich will dass du mir gebest jetzt so bald'auf einer Schüssel 
das Haupt Johannis, des Tänfers.     Und der Henker    trug her sein 
Haupt auf einer Schüssel, und gab's dem Mägdlein; und das Mägdlein gabls 
ihrer Mutter." (Ev. S. Marci 6, v. 21.) 
Musste das Mädchen, das zu nächtlicher Weile, den versammelten 
Männern zur Augenlust, tanzte und ihnen wohlgefiel, nicht schön sein? 
nicht unwiderstehlich schön, wenn der gutmüthige König, der dem Propheten 
„in vielen Sachen gehorchte und ihn gern hörte" (a- a. O. v. 20), ihrem 
Begehren so schleunig und ohne nur Ausfliichte zu suchen, willfahren liess? 
Konnte die Hast, mit welcher sie selbst dem furchtbaren Befehl der Mutter 
gehorsamte, anders als im bacchantischen Rausche möglich sein? konnte 
sie wenigstens, anders aufgefasst, noch ein Gegenstand für wahrhaft künst- 
lerische Darstellung bleiben? Und sind dies etwa. die reinen Zilge einer 
Das 
Berliner 
Bild ist 
Fuss 
3 '12 
ivll hoch 
Fuss 
W12 
Zoll 
breit.
	        
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