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und Kritiken
Berichte
Jahre 1788), später Göthc, NVaagen, Amalia v. l-lelwig u.. a. m. Es
ist interessant, die verschiedenen Physiognomieen, welche in dieser etwas
gemischten Gesellschaft auftreten, zu beobachten: den anspruchlosen, beson-
nenen Forscher, den altmeisterlichen Kenner, den gemüthlichen Kllllsifrelmd,
den Dichter, den Enthusiasten u. s. w. Freilich durfte es nicht des Ver-
fassers Absicht sein, in dieser Zusammenstellung so höchst verSChißden-
artiger Urtheile eine Art Gesammtkritik der Gallerie, einen Leitfaden für
den Beschauer derselben, eine Schilderung ihres Zustandes für den Ent-
fcrnten vorlegen zu wollen; es durfte ihm nur darum zu thun sein. dffm"
jenigen, der mit gesunden Augen und mit Gefühl für wahre Kunst jene
Bildersäle betritt, eine angenehme Unterhaltung durch die Vergleichung
dieser Ansichten zu gewähren. War jenes der Fall, so hätten wir aller-
dings mancherlei an der Auswahl des Verfassers auszusetzen; wir würden
dann über manch ein Bild weniger, über manch eines mehr gesagt wünschen.
Van der WerPs Bilder z. B., deren „Vollendung, Harmonie, 1325150119
Behandlung und edle Figuren" in _der_Einleitung gepriesen iwerflcn, Inochten
denn doch in ihrer elfenbeinglatt-gelecktcn Manier füghch eher in clne
Raritätenkammer gehören. Den überzuckerten Bildern von Carlo Dolce
(die freilich alle bei der Anwesenheit des Referenten in München, von
Damen, copirt wurden) möchte es nützlicher sein, wenn sie hier mit Still-
schweigen übergangen würden. Auch scheint die Redeweise der Ueber-
schwenglichen (Heinse, Rittershausen) nicht füglich mehr an der Zeit. Die
Entzückung z. B. des Ardinghello-Heinse über die Himmelfahrt Mariä von
Guido Reni dünkt uns heuer ein wenig fabelhaft, zumal wenn auf uns das
Bild doch nur den Eindruck einer wohlberechneten Theatersceue macht.
Dagegen wird über manch ein erstes Meisterwerk gar nichts gesagt. S0
hat der Verfasser für Tizians Bilder, die er nur nach den Bezeichnungen
des Cataloges aufführt, gar kein begleitendes Wort, dessen sie für den
Bcschauer allerdings entbehren können, mitgetheilt; und es smd doch
nie Portraits mit so ergreifender Wahrheit, mit solcher inneren Lebens-
wärme und Kraft, mit solcher Verherrlichung der irdischen Gestalt gemalt
worden. Und das eine gewaltigste der grösseren Bilder von Tizian, „Venus,
welche eine Bacchantin in die Geheimnisse des Bacchus einweiht," möchte
ich ein fast grausig schönes Bild. nennen; so berührt es und ergreift es mit
allen Schauern des Venusberges, davon die alten Lieder singen. Dies ist
jene vollendete Meisterin, jene zauberische Königin, mit der Melancholie
der Befriedigung auf ihrer Stirn; dies ist eins jener Opfer, die sich ihr
freiwillig und ohne Rückhalt hingeben; dieser Faun, welcher gleichgültig
und von dem Reiz der jungen Bacchantin unberührt zurücksehaut, ist einer
jener Dämonen, welche im Dienste- der Zauberin stehen. Es ist gut, dass
nicht weit davon Dürer's zürnende Apostel hängen, und das stille, beseli-
gende Bild von Francesco Francia, welches die Jungfrau mit ihrem Kinde
im Rosenzwinger darstellt. Das gewaltigeblasse Bild von Franz Zurbaran
(den man mit Unrecht den spanischen Caravaggio nennt, denn er ist mehr),
Maria und Johannes, die von Jesu Grabe heimwandern, hat der Verfasser
gar nicht angeführt.
Die königl. Bildergallerie zu Schleissheim, 1649 Gemälde in
45 Zimmern. Hier befinden sich jene Kunstschätze der altoberdeutschen
Schule, welche oben erwähnt wurden und darüber der Verfasser mit den
YVorten des Gallorie-Direktor von Mannlich u. a. sagt: „Üntßl' einer Zahl
von 500 Gemälden der ältesten Meister, welche aus verschiedenen Provinzen