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Berichte ur
Kritiken.
goldstotfenes Kleid, einen leichten F lor, welcher über den entblössten Nacken
zurückfällt, eine Perlenschnur um den Hals und ein reich mit Steinen ge-
schmiicktes Diadem im röthlich blonden Haar, das fast Et 1a Chinoise zurück-
gestrichen ist. Ein dunkles scharfes Auge, darüber sich das Augenlied
leise, W19 winkend, senkt; feine, scharfgezirkelte Augenbrauen; uaf der
flachen Stirn ein leichter Schatten über dem linken Auge; eine gerade,
wenig gehobene Nase; ein lechzend geöifneter Mund, ein zartgerundetes
Kinn, --dies sind die Hauptformen des Gesichtes. Nirgend scharfe Linien;
die Sondernng der Formen, insbesondere bei der Wendung des Halses und
des Kopfes, durch die leisesten Uebergänge des Helldunkels vermittelt, und
dessen Schmelz minder in der Nähe, wo Alles unbestimmt verschwimmt,
als in der Entfernung von einigen Schritten bemerkbar; eine durchsichtige,
klare, innerlich warme Farbe, aber kein Weiss, kein Roth, Blau oder Grün.
Was Tizian je in der Malerei des Fleisches, d. h. in der Darstellung des
Lebens, vermocht hat, davon giebt dies Bild ein vollgültiges Zeugniss.
Seltsam contrastirt mit den nackten Theilen das schwere, ungefüge Gewand;
aber es dient nur, den Zauber, der in jenen liegt, zu erhöhen. Das Bild
macht den Eindruck, als habe eins der griechischen Götterweiber, ver-
lockend, wie sie das Mährchen des Mittelalters auffasst, sich gefügt, dem
sterblichen Menschen in gewohnter Tracht zu erscheinen; als sei es bereit,
die lästige, ungehörige Hülle von sich zu werfen, in ewig reizender Jugend
„den alten Göttern wieder zuzueilen."
Ueber Müncheds-Kunstschätze und künstlerische, der Oelfentlichkeit
gewidmete Bestrebungen von Julius Max Schottky, Professor.
Erste Abtheilung: Malerei. München, 1833.
(Museum,
1333,
Eine brauchbare und interessante Compilation.
Der Verfasser giebt zuerst Andeutung über München's frühere
und gegenwärtige Kunstgeschichte, indem er letztere eine Ge-
schichte der Kunstförderung durch Baierns Regenten nennt, welche insbe-
sondere seit dem funfzehnten Jahrhundert eifrig bemüht gewesen, Kunst
und Wissenschaft allmählig heranzubilden und zu pflegen. Er fängt, nach
einigen Rückblicken auf das funfzehnte Jahrhundert, mit dem Regierungs-
antritte Herzog Albert V., des Grossmüthigen (1550), des LOYGIIZO Medicis
von Baiern, an. Unter diesem Fürsten begannen Kunst und Wissenschaft
aufzuleben, sein Hof war mehr als königlich: "Fänger, Künstler, Gelehrte,
auch Schalksnarren" begleiteten ihn häufig. Er habe zuerst daran gedacht,
eine Sammlung von Kunstsachen, besonders Alterthümern, anzulegen; alte,
dahin bezügliche Rechnungen werden Initgetheilt. Unter den Nachfolgern
Alberfs wird besonders Maximilian I. (im Anfang des siebzehnten Jahr-
hunderts) gerühmt. Dieser Fürst habe eine grosse Menge Künstler beschäf-
tigt, habe das herrliche Bronze-Denkmal für Kaiser Ludwig den Baier in
der Frauenkirche errichten, die Residenz und in ihr die "schöne oder
reiche Kapelle," ein überaus kostbares ReIiquien-Behältniss, erbauen lassen,