Ueber
römisch-christlichen
die
Bausysteme.
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in vielen Gebäuden des elften, sogar noch des zwölften Jahrhunderts, die
zu der ersten Periode des altgothischen Styles gehören, so enge Fenster
sieht, dass sie, durchaus wie lange schmale Schiessscharten, zwölf- oder
sechzehnmal so hoch wie breit sind.
Dieser Gebrauch wurde übrigens nicht nur in Italien, sondern auch in
dem gesammten übrigen Europa eingeführt; und obgleich die Kirchenfen-
ster bei der Veränderung, die der altgothisehe" Styl um den Beginn seiner
zweiten Periode erlitt, ein wenig von ihrer ursprünglichen Grösse wieder
erlangten, so sieht man doch Fenster von der, bei den ältesten christlichen
Basiliken gebräuchlichen Weite nicht eher als an den Gebäuden des neu-
gothischen Styles.
Ich weiss nicht, woher eine solche Liebe zur Dunkelheit bei uns in
diesen Jahrhunderten (ler Verderbniss entstanden ist. Indess zeigen sich,
zur Zeit des Justinian, die Fenster der Sophienkirche zu Constantinopel
bereits von entschieden kleinerer Gestalt; und in unseren Kirchen gab zu
jener Verengung, zu jener Schiessschartenform der Fenster, vielleicht die
Seltenheit oder der Mangel des Glases und der durchsichtigen Steine, mit
denen sie verschlossen und die Tempel vor dem Wetter geschützt werden
konnten 1), die Veranlassung gewiss mehr, als das Bedürfniss der Sammlung.
Ausser den Fenstern aber sind an den Gebäuden des achten, neunten
und zehnten Jahrhunderts noch verschiedene andere Eigenthümlichkeiten
zu bemerken, die nicht minder zu ihrer Unterscheidung von den älteren
dienen. Ich, will sie in derselben Ordnung aufzählen, wie sie sich mir bei
solchen Untersuchungen dargethan.
Zuerst also bemerkte ich in fast allen italienischen Kirchen nach Karls
des Grossen Zeit den Boden vermittelst einer Stufe in zwei Theile geson-
dert; diese Stufe belindet sich ungefähr in der Mitte der Kirche, bei dem
Anfang der Schranken, die den, 1n der Mitte des Hauptschitfes, vor dem
Altar, gelegenen Chor einschliessen.
Bei dem Bibliothekar AuastaSHIS, der, in seinen Lebensbeschreibungen
der Päpste, doch so oft der römischen Kirche und ihrer einzelnen Theile
erwähnt. finde ich der Cl1öre,_ dm auf eine Solche Weise gestellt und mit
Schranken umgeben waren, 111cm V01" der Zeit des Papstes (äregor IIW gegen
die Mitte des achten Jahrhunderts, erwähllfa; während im Gegentheil,
unter dem Pontifikat des Pfachtllebelldeu Hadrian I. , des Freundes von
Karl dem Gmssen, und unter Selflßm Nachfolger Leo IlI., die Erwähnung
der Chöre oder Presbyterien, Wülche entweder VOII diesen Päpsten neu ein-
gerichtet oder mit Schranken von Marmor und Erz umgeben wurden, sehr häulig
ist 3). Mir ist es somit sehr wallrSchelllllßil, dass Vdamals der Gebrauch
jener Stufe eingeführt worden -se1, um (lenJenigen lheil der Kirche, in
a) In basilica conslantiniana D. _N. Jesu Oh. fenestras de absida er um
dvuersis coloribus conclusit, et decoravzt, et alias fenestras basilicae ex t lo
n
cyprano reparavzt. Anast. bzbl. m mla Lenms III, p, 405g 2) Hie (G ü lo
rius) P, P. concessas sibi columwas sva: onyclzinas volubiles ab Fut h_ 1'890-
duxit eas in ecclesiam B. _Pf[11' Ap; quas statuit circa praesbitraiaä; z? texarcu
fessionem juxta alias antiquas sex lithoprzrias, supra guas posuit L"; con-
vcstivi! etc. Anast. bibl. in vita Gregorii II. m 194. _4 Fecü et 31a eS; fit
praesbiterio a parte virorum et mulierum . nec non et alias rugas 1,21231
pvraesbiterii ante confesszonevn . rugas in ingressu praesbiterii 1b in Ift
Hadriani 1. n. 349 et 361. 1" a
Kuglcr, Kleine Schriflvu. l 13