die römisch-christlichen Bausysteme.
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des Gesteines. Die groasßn Säle in den Riesenbautcn der Aegypter haben
Sogar (was eben in der Construetion mit geraden Steinbalken liegt, die
keine bedeutende Entfernung der Stützen zulassen) etwas Beklemmendes
und Drückendes. Anders bei den Römern. Hier steigt über dem weiten
Raum der Rotunde ein freies, kühnes Kuppelgewölbe empor; hier spannt
sich über die Seitenmauern des Langbaues ein leichtes Tonnengewölbe;
hier wölben sich stolze Bogen, den siegreich heimkehrenden Imperator zu
begrüssen; hier erheben sich Arkaden über Arkaden, um Amphitheater
frei aufzuführen, die ein ganzes Volk zu fassen vermögen.
Freilich sind bei diesen Bauwerken die Theile des griechischen Sy-
stemes, Säule und Gebälk, welche sich ihren wechselseitigen Beziehungen
gemäss ausgebildet hatten, gewissermaassen willkürlich angewandt und
haben in der Regel keinen wesentlich constructiven Zweck; doch müssen
wir wiederum zugeben, dass sie bei den besseren Gebäuden der Construc-
tion nicht ohne eine gewisse Feinheit untergeordnet sind. So dienen die
Säulen im Pantheoii dazu, den breiten Raum der Nischen minder augen-
fällig zu machen; so das über ihnen hinlaufende tingirte Gebälk, den Raum
bis zur Kuppel auf gleiche Weise angenehm zu theilen. S0 werden Halb-
säulen und Pilaster samnit ihrem Gebälk bei Triumphbögen und Amphi-
theatern angewandt, um, was ein Bedürfniss des Auges ist, dem Bogen
einen rechtwinkligen Einschluss zu geben; zugleich dienen dieselben hier
noch zu einer Verstärkung der Pfeiler. Grössere Willkühr ist es, wenn
bei den Triumphbögen diese Säulen völlig frei aus der Mauer hervortreten,
oder wenn die Mauern innerer Tempelräume auf gleiche Weise mit Säulen
geschmückt werden, welche als Träger von Statuen dienen sollen. Dieser
Umstand hat in der Regel ein widerwärtig verkröpftes Gebälk über den
Säulen zur Folge, eine der unangenehmsten Ausartungen antiker Baukunst.
Gonstructiv hingegen und nicht mehr als äusserlich hinzugekommene
Zierde erscheinen diese freistehenden Säulen mit vorgekröpftem Gebälk in
dem Friedenstempel und in dem Hauptsaale der Thermen Diocletiaifs (jetzt
Maria degli angeli) zu Rom 1]: auf" ihnen nämlich ruhen die Gurten edel-
vielmehr die Kanten der Kreuzgewolbe, _mit welchen jene Hallen bedeckt
sind; die Mauern hinter den Saulen dienen nur als die Widerlagcn der
Gewölbm Mich dünkt, es ist dieser eigenthüinliche Gebrauch der Säulen
bereits als Vorspiel mittelalterlicher läausystemwe anzusehen.
Zughich aber, eben mit den Zeiten den Gallien und Dlüßletlall," tritt
eine noch grüssere WVillkür und ein viollstandigcvil Beginn der Auflosung
des antiken Systemes ein. S0 sehen wir, in den lhermen des Diocletian,
zwischen den Fenstern Säulen dreifach ubereinandergestellt, deren oberste
Statt des Gebämes nur schräge Giebelgesimse tragen; Saulen, welche das
Kranzgesinls tragen und auf Conselen ruhen, an Diecletians Palast zu Sna-
latro und an einem Thor aus Galllellä Zelt Zu Vemllai gßwüllden canellirte
Säulen an demselben Thor; Clldhchi Wa? das Beaeuteudste {Sie freie B0-
genstennngen auf Säulen, und zwar unmittelbar auf dem Kapital derselben
aufsetzend, in Diocletians PaIaSW- In dlfaser Vellfmduflg Voll Säule fllld
Bogen, in dieser frei phantaStlSCllCIl Benutzung antiker ltlemente ist, mitten
1) Desgodctz: les ädißces antiques de Rome, pl. VII, XXIV. 2) (pAyim
C011": IIi-SIOWC de V11" 29W 163 "lonumen-S depuis sa drfcadence etc ; Architcctzare
pl. II, III. Adams: Ruins of the Palacc of Diocletian at Spalagro, 11m.
Geschichte der Baukunst bei den Alten pl. XIV, 25.