164-
Dßutsche Kirchen
Denkmäler.
ihre
111d
herrührende Thürrne, von denen die an der Ostseite belegenen achteckigen
erheblich älter sind als das übrige Gebäude; diese gehören dem Ueber-
gange aus dem Rundbogexi- in den Spitzbogexrstyl an, und sind mit sehr
zierlichen Einfassungen und Gesimsen versehen 1).
In der Moritzkirche ist ein reicher Altarschmuck vorhanden, ein Schrein
mit bemalten Holzstatuen und darüber ein zierlich gebildetes Tabernakel
mit frei phantastischem gothischem Schnitzwerk. Der Schrein ist mit drei-
fachen Flügelthüren versehen, welche sämmtlich mit lebensgrossen ste-
henden Heiligen bemalt sind. Es ist interessant, in diesen Malereien einen
gewissen Uebergang des früheren germanisch-typischen Styles in den spä-
teren des funfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts zu bemerken. In den
Hauptlinien der Gewandung, besonders bei den weiblichen Gestalten, findet
man noch die eigenthümlich grossen, oft weichen Linien, die jener früheren
Zeit angehören; im Einzelnen aber, z. B. im Bruch des Gefäiltes, treten
bereits spätere Motive ein. In den schönen stillen Gesichtern der Heiligen,
namentlich der Weiber, in der besonderen nationellen Formation der Köpfe,
in der, ich möchte sagen: giotteskcn Bildung der Augen u. a. kündigt sich
übrigens ein eigenthümlich gebildeter Meister an; die Technik ist zwar
noch streng, die Zeichnung scharf, doch fehlt es im Einzelnen nicht an
genügender Durchbildung und Modellirung. Mehr gilt alles Gesagte von
den vorzüglicheren inneren Bildern; die iiusseren, obgleich denselben Styl
tragend, scheinen vielleicht mehr unter der Aufsicht des Meisters, als
unmittelbar von seiner Hand gemalt. Die Gemälde sind grösstentheils sehr
wohl erhalten. Auch die lilarienkireke besitzt ein merkwürdiges Altar-
blatt. Es ist eine Madonna mit dem Kinde auf dem Monde; die Seiten-
flügel mit riesigen Heiligen. Drunter ist eine Predella mit einer Madonna
und verschiedenen Heiligen von ungemein mildem Ausdruck in den Köpfen.
Ich konnte das Bild nur während des Gottesdienstes sehen, da die mir
zugemessene Zeit keinen längerenAufenthalt erlaubte 2).
Der Dom von Merseburg gehört im Wesentlichen zwei verschiedenen
Zeiten an. Chor und Querschiff sind im ältesten schweren Spitzbogensty],
nach Art der unteren Theile des liiagdeburger Domes; ebenso die Brüstungs-
Wände, welche die Flügel des Kreuzes vom Chore absondern. Diese sind,
auf der äusseren Seite, mit Halbsäulchen verziert, welche durch kleine
Spitzböggn verbunden werden und ungemein zierliche Kapitäle im Styl
der Uebergangsperiode tragen. Das SehiiY des Domes ist in der Art der
Halldschen Kirchen, doch minder reich und von schweren breiten Ver-
i) Aus späteren Reisenotizen (1840): Die Hallenser Kirchen-Architekturen
dürften unter denen des spätesten Mittelalters zu den interessantesten gehören.
Diesmal sah ich 11- A- das Innere der Liebfreuenkirche, die, ohne ein Gan-
zes von organischer Entwickelung zu bilden, doch den Eindruck von Kühnheit
und reicher Grösse hervorbringt. Die schlank und leicht aufsteigenden Pfeiler,
eigenthümlich wirkend durch die coucaven Seitenflächen, das reichverschlungene
Netzgewölbe darüber, das, mehr nach Art einer Decke, in einem flachen Bogen
gebildet ist und dessen Gurte unmittelbar aus den Pfeilern herausspringcn, die
hinter den Pfeilern innerhalb der Seitenschiffe gelegenen, von Spitzbögen getrage-
nen und mit reichen Brüstungen aus Sandstein versehenen Emporen, Alles dies
trägt wesentlich zu jenem Eindrücke bei. z) Ein umfassenderer Aufsatz über
die Altarwerke zu Halle folgt später.