Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

III. 
Reiseblätter 
vom Jahr 
1832. 
153 
Thürme, findet sich ein prächtiges Portal, mit Säulen und Irlalbkreisbögen, 
in denen unter Andern auch das anglisirende Zikzak-Ornament vorkommt, 
geschmückt und zugleich mit bildnerischer Ausstattung versehen (worüber 
unten das Nähere). Die Thürme steigen über den Portalen in mehreren 
Geschossen, durch Rundbogenfriese getrennt, empop  Ein noch präch- 
tigeres Portal, als die ebengenannten, ist am nördlichen Seitenschiff in einem 
Vorsprünge des Baues vorhanden. Es ist mit einer; namhaften Anzahl von 
Säulen versehen, bei denen eigenthümliclr bemerkenswerth, dass die nach 
innen stehenden von schwächerem, die nach aussen von wachsend stärkerem 
Durchmesser sind, also eine gewisse perspektivische Wirkung mit Absicht 
erstrebt wurde. Den Säulen entsprechen die Wulste in dem Halbkreisbogen 
des Portales. Auch hier ist voller bildnerischer Schmuck vorhanden.  
Die westlichen Thürmc sind in ihren oberen Geschossen durch achteckig 
crkerartige Vorsprünge auf den vier Ecken, welche durch freistehende 
Säulchen mit Spitzbögen gebildet werden, eigenthümlich ausgezeichnet. 
Die gewöhnliche Annahme schreibt, auf historische Zeugnisse gestützt, 
die Erbauung des Bamberger Domes, wenigstens des älteren Haupttheiles 
desselben, Kaiser Heinrich dem Heiligen, d. h. dem Anfange des elften 
Jahrhunderts und die westlichen Theile einer gegen Ende des elften Jahr- 
hunderts erfolgten Restauration zu. Diese Annahme findet jedoch in den 
Ergebnissen der gegenwärtigen kunstgeschichtlichen Forschung (1851) den 
bestimmtesten Widerspruch. Das Gebäude gehört in seiner ganzen Eigen- 
thümlichkeit dem üppigen Ausblühen einer künstlerischen Stylperiode, und 
zwar der romanischen, an, die, wie zahlreiche andre Beispiele darthun, 
erst in die Zeit um und nach 1200 fallt. Die consequente Aufnahme des 
Spitzbogens und das gleichzeitige Vorhandensein andrer Anklänge in den 
Einzelforrnen an die Eigenthümlichkciten des gothischen Baustyles bezeich- 
nen noch bestimmter jene Epoche der Umwandlung des künstlerischen Gc- 
schmackcs, die während der ersten Ausbildung des gothischen Systemes in 
Frankreich und dem ersten Herübertragen desselben nach Deutschland (im 
dreizehnten Jahrhundert) stattfand. Sehen wir uns nach andern historischen 
Zeugnissen, die mit der Baugeschichte des Bamberger Domes in Verbindung 
zu bringen sein dürften, um, so finden wir zunächst, dass Papst Gregor IX. 
im Jahr 1232 einen zwanzigtägigen und 1236 einen Vicrzigtägigen Ablass 
für den Besuch der Domkirche verlieh, was, wenn auch nicht ein Weiteres, 
doch ein zu jener Zeit hervortretendes besondres Interesse für dieselbe 
erkennen lässt. Etwas später aber, im Jahr 1274, wird ein andrer Ablass 
denen, welche zur Herstellung des Barnbergcr Domes beitrügen, durch 
Bischof Konrad von Frcisingen ertheilti). Es musste sich M80 Zu dieser 
Zeit um bauliche Unternehmungen handeln, welche bedeutende Kosten 
verursachten, und wir werden hienach wohl nicht irren, wenn wir die Anlage 
des Querschitfes und des westlichen Chores mit seinen Thürmen, vielleicht 
auch die Ueberwölbung des Mittelschiiies, in diese Zeit setzen. Das Uebrigc 
gehört dann in die frühere Zeit des dreizehnten Jahrhunderts. Vielleicht 
war dasselbe, der vorigen Andeutung entsprechend, in den dreissiger- Jahren 
dieses Jahrhunderts soweit gediehen, dass der Besuch der Kirche (auch 
wohl in nicht uncinträglicher Weise) durch den Papst besonders anempfohlen 
werden konnte. 
1  1) Geschichte der Domkirche zu Bamberg. 
hroßnung am 25. August 1837. (Von J. Heller 
der Wieder- 
S. 7. 
Als Programm bei 
 Bamberg, 1837.
	        
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