Reiseblätter vom Jahr
1832.
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costümirte Männer, welche ihre Hand ebenfalls schwörend auf die Brust
legen. Die unteren Felder auf beiden Platten werden von verschiedenen
Gmppen sitzender und kauernder Gefangenen gebildet, und hier ist, trotz
der Rohheit in den Gesichtern, und obgleich die hervor-stehenden Theile
bereits beträchtlich abgerieben sind, doch noch viel von dem antiken Sinn
für die Form und besonders "manch ein schönes Motiv in der Bewegung
zu bemerken.
Endlich darf ich ein schönes Gemälde, welches sich in dem ehema-
ligen Kapitelsaale belindet, nicht unerwähnt lassen. Es stellt eine Maria
mit dem Kinde, von Heiligen umgeben, dar und ist ohne Zweifel ein Werk
der kölnischen Schule.
Dem Dom gegenüber, auf der andern Seite des Domplatzes, liegt die
Licbfrauenkirche, ein Gebäude, welches in seiner Massen-Anordnung
sowohl als in den einzelnen Theilen eine vollkommen entwickelte Anwen-
(lung des sogenannten byzantinischen, -d. h. des rundbogigen Baustyles zeigt.
Es ist eine Pfeilerbasilika mit einem Querschiff, mit sehr schmucklosen,
selbst noch rohen architektonischen Details, ursprünglich flach gedeckt,
später aber ganz in demselben Style und im inneren mit derselben
Schmucklosigkeit und Rohheit der Details mit Gewölben und den die
Gewölbe stützenden Mauervorsrxrüngen versehen.
Ich sah die Liebfrauenkirche in ihrem wüsten, baufälligen Zustande,
der keine Feier des Gottesdienstes mehr zuliess. Sie war voller Staub
und Schmutz, die Stühle morsch und zum Theil zerbrochen, mehrere Grä-
ber aufgerissen; eine widerwärtige Kellerluft herrschte darin. Zu meiner
grossen Freude aber entdeckte ich an den Wänden, welche die Arme des
Kreuzes von dem mittleren Raume trennen und an denen , auf der innern
Seite, die Chorstühle befindlich sind, sehr alte, aber schön gearbeitete
grossc Reliefs. Ich zeichnete eins derselben.
Diese, aus einer Gypsmasse gearbeiteten Reliefs bestehen auf jeder
Seite aus sieben Bogenstellungen, welche durchaus den Charakter der by-
zantinischen Architektur tragen; in den also angedeuteten Nischen sind die
Figuren von Heiligen enthalten: und zwar auf der südlichen Wand Maria
mit dem Kinde und zu ihren Seiten je drei Apostel, auf der nördlichen
Christus mit den übrigen sechs Aposteln. Maria ist in dem Kostüm der
römischen Matronen, wie gewöhnlich in früherer Zeit, dargestellt, doch
mit blossem Haar, welches in zwei lange, vorn herniederhängende Zöpfe
geflochten ist; das Kind ist bekleidet. Die Figur Christi auf der nörd-
lichen Wand ist ebenfalls in der gewöhnlichen Stellung, in der Linkenern
Buch, die Sclwvörende Rechte olTen vor der Brust haltend. Diese nördliche
Seite enthält die wahrscheinlich gleich alte Bemalung der Reliefs; auf der
südlichen Seite sind dieselben dick weiss übertüncht. Es fallt uns an die-
sen Figuren vorerst ein gewisses längeres Verhältniss auf, zuweilen auch
eine Andeutung jener eigenthümlichen Vcrschrobcnheit in den Stellungen
und jener sonderbaren Dickbäuchigkeit, welche als Merkmale an den Kunst-
werken scit dem elften Jahrhundert zu betrachten sind. Sodann aber
zeichnen sie sich vor andern Werken der Zeit durch den Ausdruck eines
freieren, würdigeren Charakters, durch eine gewisse Weichheit der Formen,
durch lebendigere Linien in der Gewandung und feinere Ausführung der-
selben, und endlich durch reiner-es Ebeumaass und grösseren Adel in
den erhaltenen Köpfen, vornehmlich in dem Kopfe Christi, sehr vortheil-
haft aus.