Es ist eine Arbeit aus gebranntem Thon, bronzirt, 11], Fuss
hoch. Stellung, Geberde, Gewandung brauche ich Dir nicht zu
schildern, da dies Alles ebenso geordnet ist, wie in der grossen
Marmorstatue von Michelangelois Hand in S. Pietro in Vincoli zu
Rom. Die Ausführung ist sehr sorgfältig, im Nackten wie Sich
dies beim ersten Blick ergiebt und bei näherer Untersuchung nur
immer mehr bestätigt von ungewöhnlicher Meisterschaft. Die
Gewandung hat etwas Eigenthümliehes in der Behandlung; sie scheint
über dem zuerst nackt modellirten Körper ausgeführt zu sein, so wie
augenscheinlich auch die Partieen des langen prächtigen Bartes über
das Gewand gelegt sind. In der ganzen Gewaudung zeigt sich das-
selbe feine, leichte Verständniss wie im Nackten. Alles lässt hier
ein Werk von seltenstem Kunstverdienst erkennen. Doch ist der
Eindruck desselben ein andrer als der der römischen Statue, soweit
ich wenigstens im Stande bin, rnir die letztere in die Erinnerung
zurückzurufen. Mir sagte die Statue selbst überhaupt nicht völlig
zu, ich weiss nicht, ob es an meinem damaligen Standpunkte
geistiger Auffassung lag, der mir nur erst selten ein eigentlich leben-
diges Anempfinden v-on Werken, welche über das Quattrocento und
den Beginn des folgenden Jahrhunderts hinauslagen, verstattete und
mir namentlich das fernere 17. Jahrhundert noch ziemlich fremd liess.
Mir erschien die Statue allzu bewusst, zu gewaltsam, fast briisk.
Davon ist Nichts in dieser kleineren Terracottafigur; es ist wohl die
Macht einer michelangelesken Arbeit, es ist die Majestät seines
Moses, aber Alles in der Empündung schlichter, gehaltener, ich
möchte sagen: jungfräulicher. Dann ist mir sehr wohl gegenwärtig,
dass in der Marmorstatue durchweg eine massenhafte Anlage, auch
des Einzelnen, vorherrschte und die Wirkung, dem entsprechend,
überall voll und breit war. lAuch dies ist in der kleinen Figur nicht"
in demselben Maasse der Fall; es wird darin, trotz der auch hier
unverkennbar grossen Anlage, mehr ein liebenswürdiges Eingehen
auf die Einzelform, ein feines Detailliren derselben ersichtlich. Ich
möchte sagen: diese Figur ist wie der zuerst aufgehende, vielleicht
noch nicht zum völlig entschiedenen Bewusstsein durchgedrungene,
aber um so liebevoller erfasste Gedanke des Moses, - jene Statue
wie das Nachher des Gedankens, wo vielleicht schon die Absicht
der Wirkung, schon ein Grad von Willkür in der Ausgestaltung sich
geltend macht.