Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

III. 
vom Jahr 
Reiseblätter 
1832. 
125 
erwähnt: vornehmlich durch das darunter befindliche Gebet aus der Mitte 
des dreizehnten Jahrhunderts, welches die Gläubigen vor diesem Bilde zu 
halten hatten und wofur ihnen  zufolge der Unterschrift  vom Papst 
lnnocenz IV. eln Ablass zugesrchert war. Dieses Gebet, ein, für die Ge- 
schichte der Bilderverehrung vielleicht nicht ganz unwichtiges Beispiel, 
lautet in freier Uebertragung etwa folgendermaassen:  
Sei gegrüsst, o Angesicht, das der Heiland träget,  
Drinnen sich der Gottheit Licht wunderbarlich reget, 
Das Veronika empfing, liebevoll beweget, 
Auf ihr Linnen, weiss wie Schnee, sorglich ausgepräget.  
Sei gegriisset, Zier der Zeit, Spiegel der Gerechten, 
Du der Sehnsucht Gegenstand allen Himmelsmächten, 
Mach' uns rein und führ' uns weg aus dem Kreis der Schlechten 
Und lass auch für uns den Kranz der Erwähltßn Üßßhtßn! 
Sei gegrüsset, unser Trost in des Lebens Wehen, 
Die, wie bang und schwer sie sind, bald vorübergehen; 
Fiihr' uns, heilig Bild, wenn wir in die Heimat gehen, 
Dass wir Christi Angesicht sonder Hülle sehen! 
Christi Angesicht, du trägst alles Heiles Samen! 
Welches Lob und welcher Preis reicht an deinen Namen? 
Mache du des Feindes Wuth gegen uns erlahmen, 
Und gieb deinen Frieden uns, dass wir sprechen: Amen! 
Die Preussische Regierung, die nicht nur den Werken lebender Künstler 
Schutz und Pflege angedeihen lässt, sondern auch auf Erhaltung grossartiger 
Monumente der Vergangenheit bedacht ist,  wohl erkennend, dass das 
Leben der Gegenwart nur über den Grundpfeilern der Geschichte sich er- 
bauet,  hat mit hohem Sinn auch eine Restauration des Magdeburger 
Domes, über den mehr als ein Sturm dahingegangen ist, angeordnet; auf 
dass aus demselben in ungetrübter Herrlichkeit der ernste, kräftige Sinn 
unserer Vorfahren zu uns reden und ein gleiches Streben in uns erwecken 
möge. Diese langjährige Arbeit naht sich bereits ihrem Ende; bei meiner 
Anwesenheit war man schon mit der Restauration der Thürme beschäftigt. 
Doch dünkt es mich, als ob es ein gar schwieriges und alle Besonnenheit 
in Anspruch nehmendes Werk sei, wenn man die Grenzen einer solchen 
Restauration bezeichnen und die verschiedenen Ansprüche gegen einander 
abwägen will, welche von Seiten der Aesthetik, von Seiten der Geschichte 
und Poesie gemacht werden müssen. Wir haben z. B. wenig Recht, wenn 
Wir einzelne, in einem solchen Dom vorhandene Monumente von der Stelle, 
die ihnen viele Jahrhunderte hindurch zuerkannt ist, hinwegrücken, um 
etwa die Hauptlinien der Architektur ungestörter verfolgen zu können; 
mir scheint vielmehr, als ob eben diese, im Verhältniss zum Ganzen so 
geringen Unterbrechungen das Malerische des Eindruckes begünstigen und 
dem Auge, welches sich in den gewaltigen Räumen und Massen so leicht 
verliert, angenehme Ruhepunkte darbieten;  es versteht sich von selbst, 
dass hier nicht von den, alle Harmonie störenden Priechen oder Emporen 
oder von den sonstigen Einrichtungen, welche ein veränderter Zweck des 
Gebäudes und eine vornehmere Bequemlichkeit seiner Besucher hervorge- 
rufen, die Rede sein kann. Man hat zugleich das Innere des Magdeburger 
Domes, vielleicht um jenen architektonischen-Eindruck noch zu erhöhen,
	        
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