111.
REISEBLÄ'I'TER
1832
Jahr
VOIII
(Museum:
Kunst,
Blätter für bildende
1833,
Magdeburg.
Ich hatte lange genugjn Büchern von der deutschenKunst "im Mittel-
alter gelesen; mich verlangte "einmal wieder nach eigner, lebendiger An-
schauung. Es war die alte Wanderlust, die ihre Flügel aufs Neue rührte.
ln deutschen Landen wird so viel gereist, alle Tage gehen Eilwagen von
Berlin nach Magdeburg; ich beschloss getrost mein Bündel zu schnüren und
dem Zuge in die Ferne" zu folgen.
Potsdam, die erste Station, "hatte diesmal Nichts, was mich fesseln
konnte; die Reisegesellschaft ebenso wenig." Durch Brandenburg, dessen
Kirchen für den nordischen Backsteinbau wichtig sind, kamen wir in "der
Nacht; ich sah nur, als ich den-Kopf zum Wagenfenster hinaus steckte,
den grossen Roland vor dem Rathhause stehen; das über sein Haupt
gewachsene Schlingkraut ward im Winde auf und nieder bewegt, er schien
in der Dämmerung traumhaft zu nicken. In Burg fielen mir die grossen,
aus Granitsteinen erbauten Kirchen auf.
Gegen Mittag waren wir in Magdeburg. Eine besonders malerische
Ansicht gewährt" der Dom von den beiden Brücken aus, über die man,
von Berlin kommend, in die Stadt fahrt. Da erhebt sich über der Elbe
erst der Fürstenwall mit seinen gemauerten Bastionen, drüber grüne Bäumc,
Gärten, Dächer von Häusern, dann die Dächer der Seitenkapellen des
Doms, des Bischofgauges um den Chor, des Chores selbst, endlich das Schiff
und die hohen Thürme; ein mannigfacher Wechsel der Linien, der Details
und der Gesammtmassen. Mein erster Gang war auf den Domplatz. Der
Eindruck jenes majestätischen Gebäudes hat für Einen, der lange in Berlin
war, zu Anfang etwas höchst Ueberraschendes, fast Betäubendes; es fallt
dem Auge schwer, sich in diesen weitläufigen Räumen und Massen zurecht
zu finden. Indess gelingt es dem Anschauer doch bald, bei der verhält-
nissmässig einfachen Structur dieses Münsters, den eigenthümlichen Cha-
raktcr der einzelnen Haupttheile zu erfassen. Kräftig und fest streben die
Thürme in fünf Absätzen empor, sich leicht zu den sechzehnseitigen, blu-
mengeschmückten Pyramiden der Spitze Zllißallllllßnlißhelld- Zwischen den
Thürmen, von zwei starken Streben gehalten, ist das reichgegliederte und
verzierte Hauptportal; und drüber, und über das grosse Fenster hinauf zieht
sich dieser reiche Schmuck denn die Thürme selbst sind wenig ver-
ziert bis in die Spitze des Hauptfrontons empor. Um den zweiten
Absatz der Thürme läuft eine durchbrochene Gallerie, die, das Dach des
Mittelschiifes berührend, sich um die ganze Kirche hinzieht; hier Wurden
am Tage des heiligen Mauritius, dem der Dom gewidmet ist, von der
Geistlichkeit festliche Processionen gehalten und die Reliquien des Heili-
gen-der unten versammelten Menge vorgewiesen. Das Mittelschiff hebt