Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

Studien 
Berlin und 
der 
Um gegend. 
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halboifeneii gebrochenen Augen dargestellt. Der grosse Schmerz in dem 
knabenhaften Johannes zu dessen lläupten, in den knieenden, klagenden 
Frauen, in den beiden Greisen zeugt, wie er sich auch in den verschiede- 
nen Figuren verschieden äussert, von dem reinen und einfältigen Gernüthe 
des Meisters, und bis in die Seele des Bescliauers geht der auf diesen ge- 
richtete Blick der einen Frau, welche die Schmerzensmutter von hinten 
umfasst. Die Verbrecher an den andern beiden Kreuzen sind gleich- 
falls ihrer verschiedenen Eigenthümliclikeit gemäss gehalten; eine reiche 
Landschaft würde das Auge des Beschauers in die Ferne hinausziehen, wenn 
es nicht unwillkürlich immer wieder auf die Gruppe des Vorgrundes 
zurückkehrte. 
Auf der oben genannten nördlichen Empore hängt unter andern noch 
ein Gemälde welches Tliurneisser als eine Gedächtnisstafel bei dem Tode 
seiner zweiten Gemahlin in der Kirche aufhängen liess. Es stellt ihn mit 
den Scinigen in Pilgerkleidern dar, knieend und emporschauenil nach einer 
Erscheinung der heiligen Dreifaltigkeit. Charakteristisch ist das scharf ge- 
schnittene Profil des seltenen Mannes. 
Das jetzige Altarblatt ist ein gut gemeintes Bild im llaarbeutelstyl. 
Auf der Rückseite befinden sich mehrere alte Gemälde auf Goldgrund, 
welche aber durch den frechsten Muthwillen gänzlich rninirt sind; die we- 
nigen halberlialtenen Köpfe, die noch wehmüthig aus den Trümmern her- 
vurblicken, verrathen manche Spur ihrer ehemaligen Trefflichkeit. 
In der Sakristei zeigt man ein hübsches pokalartiges Gefass von Mes- 
sing mit einem hohen, spitzen Anfsatze, welches vermuthlich zur Anf- 
bewahrung von Hostien diente. Es ist in der l-lauptform sechseckig, mit 
Thürmchen auf den Ecken und mit kleinen Medaillons auf den sechs Sei- 
tenfeldern, welche in getriebener Arbeit Momente aus dem lieben des 
Heilandes  die Geburt, die Geisselung, die Kreuztragung, den Ikreulßstod 
und die Auferstehung  und eine Rosette darstellen. Statt des einen 
Thürmchens ist eine Figur des grossen Christoph mit (10111 Chflßlkllldß M1- 
gebracht.   
Wenn, wovon man seit einiger Zeit spricht, eine Renovation dieser 
Kirche vorgenommen wird, so möchte wohl, unbeschadet der gottesdienst- 
liehen Bedürfnisse. die ursprüngliche Form derselben in ihrer Reinheit 
wieder herzustellen sein, so dass nemlich besonders die störenden und 
wenig brauchbaren Emporen ganz hinaiisgeschaift würden. Und es durfte, 
Wenn überhaupt eine, gerade diese Kirche  gleichfalls ohne Eingriff in 
die Rechte des Gottesdienstes  zu eiiiem_Museu_m fur Denkmaler der 
Vaterländischen bildenden Kunst, S0 W16 dje Montzkapelle lrf Numläergi 
nicht unpassend erscheinen. _Solcher Denkmaler ist aäier ällrlt? 310m äerldllge 
Menge in Stadt- und Dorfkirchen verstreut und lei er cm [CSU e er- 
selben zumeist noch unbekannt. Wir haben deren manche von edeuten- 
dem Kunstwerth gefunden; aber sie befanden sich nur zu oft in sehr ver- 
nachlässigtem Zustande und gehen mehr und mehr ihrem Untergange 
h 
entgegie: erwünschte Renovation der Klosterkirche ist vor mehreren Jahren 
erfolgt. Das Aeussere, wenigstens die Facadenseite, hatrdabei eine reichere 
architektonische Ausstattung erhalten: zwei achteckige lhiirrne mit zierli- 
chen Spitzen, die zu den Seiten des Portales. vorgebaiit sind, und ein mit 
leicht durchbrochener Spitze versehenes Thurmchen uber der Zinne des 
Kilgler, Kleine Schrifiril. I. 8
	        
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