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ANFÄNGEW
IN VENEDIG.
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später als 1503 gesetzt werden kann, denn Pesards Alter, wie
er da vor S. Peter kniet, ist das eines Mannes zwischen vierzig
und drei und vierzig Jahren, und Alexander VI., der von den
Italienern aller Klassen verabscheut ward, würde nach seinem
Tode (18. August 1503) schwerlich noch auf irgend einem Ge-
mälde Platz gefunden haben. Auch der Stil, in welchem das
ganze Bild ausgeführt ist, bekundet, wenn es auch flotter gemalt
ist als die Borghesische Allegorie, doch eine Zunahme an Ge-
schicklichkeit und Leichtigkeit der Hand, wie man sie wohl von
der erweiterten Erfahrung erwarten darf; andrerseits verleugnet
sich auch hier die verhältnissmässige Unvollkommenheit einer
Kunst nicht, die noch der Zeit und der Musse zum Ausreifen
bedarf. Die Porträts sind allerdings schon meisterhaft, aber die
Gestalt des Petrus ist weder so gross, noch so männlich, wie
Tizian sie einige Jahre später gemacht haben würde, und ab-
gesehen von ihrem innern Interesse, sind die Einzelheiten des
Thrones und seine relietgeschmückte runde Plinthe von der Art,
dass sie die Unfertigkeit der künstlerischen Bildung des Urhebers
an den Tag legen. Der Maler des Borghesischen Bildes war
durch den angenehmen Effekt, welchen das griechische Mar-
mor-Basrelief dort hervorbrachte, in sehr natürlicher Weise zu
dem Missgriü verleitet worden, ein gleiches Ornament am Throne
des Heiligen anzubringen; reiferes Urtheil würde ihm gesagt haben,
dass ein Altar des Eros, dessen Schmuck seine Entstehung der
Liebesleidenschaft entnimmt, für den Sitz des Apostel-Fürsten
schlechterdings ungereimt sei, wenn er auch freilich für dessen
damaligen Statthalter gepasst hätte. Seine Verwendung an dieser
Stelle verräth bei Tizian die naive Bewunderung der Antike,
aber noch nicht den Künstler, der nachmals so vertraut mit den
Aufgaben und Zielen ward, zu denen ihn die Bekanntschaft mit
der klassischen Skulptur in Toska-na anleitete. Es ist nicht ganz
gewiss, ob die Bildfläche ihre ursprüngliche Grösse bewahrt habe,
aber selbst das erklärt noch nicht, weshalb Petrus so majestäts-
widrig in einem engen Winkel sitzt. Seine linke Hand ruht auf
dem Evangelium, während er mit der rechten den Segen ertheilt
eine studierte Haltung mit gezwungener Geberde und Ge-