Volltext: Tizian (Bd. 1)

CAP. 
B5 
HEILIQE 
UND 
LIEBE 
ÜEÄNE 
Links krönt eine Gruppe Gebäude und ein Thurm, vom Sonnen- 
strahle halb beleuchtet, den Gipfel eines Hügels_,'während ein 
Reiter mit eingelegter Lanze auf einen Trupp Dorfbewohner zu- 
reitet. Mehr nach dem Vordergrunde zu strecken junge Bäume 
in abgemessenen Zwischenräumen ihre Zweige zum Himmel, noch 
weiter nach vorn bildet dichteres Laub, das fächerartig hinter 
dem marmornen Trog eines antiken Brunnens hervorragt, einen 
Mittelpunkt. Entzückende Linien von Höhen und Ebenen, hier in 
Licht, dort  in Schatten getaucht, geleiten so den Blick zum 
Vordergrunde, wo die beiden Frauengestalten sich von der reichen 
Vegetation des Wiesenplanes abheben, den der Wasserstrahl des 
Brunnens berieselt. Die "unbewusste Liebe" auf der einen Seite 
lehnt halb sitzend an dem Rand des Troges; ein neben ihr stehen- 
des Krystallgefäss symbolisirt ihre Gedanken. Die nur über den 
Schooss durch zartes Linnen verhüllte Gestalt, eine tadellose Melodie 
liebreizender Glieder, wird durch das rothseidene Tuch gehoben, 
das über ihrem Arme hängt. Die linke Hand hält die symbolisch 
mit dem Weihrauch der Liebe gefüllte Vase in die Höhe, mit der 
auf dem Brunnenrande ruhenden Rechten stützt sie sich, indem 
sie mit glücklich-ernstem Ausdruck sich ihrer Genossin zuwendet. 
Sie weiss es weder, noch gibt sie sich den Anschein, zu bemerken, 
dass Cupido über der hinteren Brüstung des Brunnens lehnt und 
im Wasser plätschert. Die „gesättigte Liebe  links sitzend, hat 
dem göttlichen Unhold mit Entschiedenheit den Rücken zuge- 
wendet; ihr Gesichtsausdruck ist bestimmt, stolz und befriedigt; 
ihre Reize sind durch reiche Modetraeht verhüllt, sogar die Hände 
mit Handschuhen bedeckt.  
Lässt sich auch der Gedanke, welcher dem Künstler vor- 
geschwebt hat, ohne Indiskretion kaum deutlicher ausdrücken, als 
es eben in diesen Figuren geschehen ist, so wird dem Ver- 
standnisse des Beschauers noch ein Wink gegeben durch "das 
Bas-Relief an der Brunnenwand, welches einen Genius zeigt, der 
den Gott der Liebe aus dem Schlafe peitscht; ferner bemerken 
wir auf der Wiese einen Hirten, der sein Mädchen küsst, im Rasen 
hüpfen Kaninchen und über einer Blume haschen sich zwei Schmet- 
terlinge. Zur Seite der gesättigten Liebe liegt eine halbverblühte
	        
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