Volltext: Tizian (Bd. 1)

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III. 
DER SCHMERZENSMANN 
ROCCO. 
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den Paduanern und Flandrern gebräuchlichen Verrenkungen sind 
als dem Ideal des sechszehnten Jahrhunderts nicht mehr ge- 
ziemend vermieden. Der grossen Gestalt und breiten Brust ent- 
spricht naturgemäss ein grosser starkknochiger Kopf, dem eine 
breite, kurze Nase und ein ileischiger Mund besonderen Stempel 
geben; aber der Typus ist edel und charakteristisch für jene 
Periode der venezianischen Malerei, welche, man darf sagen im 
Jahre 1503 mit Giovanni Bellini's Madonna in S. Zaocaria .ab- 
schloss. Der einzige Anstoss, der nachtheilig hervortritt, ist der 
lange verschrumpfte Arm, die abgemagerte Hand an einem Körper 
von so übernatürlichem Maasse. Der Widerspruch löst sich nur, 
wenn wir uns vorstellen, wie der Künstler mit eindringendem 
Fleisse erst nach einem todten Körper studierte und dann beim 
Kopfe aufs lebendige Modell zurückging. Solch ein Kunstgriff 
bot sich einem nach der Meisterschaft strebenden Jüngling ganz 
natürlich dar. Die Behandlung deutet ebenfalls darauf hin, dass 
der Maler jung und resolut, aber dabei geduldig war. 
 Sind jedoch in der Jungfrau mit dem Kinde im Belvedere 
die Farben dergestalt verwendet, dass sie einen festen Schmelz her- 
vorbringen, so sind sie hier mit erstaunlicher Kargheit, vom blossen 
Anwischen bis zur substantiellen Schicht variierend, aber niemals 
pastos, obschon vermittelst zarter Lasurhaut und reicher Verschmel- 
zung sorgfältig zusammengestimmt. Ein warmer iiüssiger Ge- 
sammtton ist durch klare, aber farbige Lichter erzeugt, welcher 
mittels kalter Halbtinten in bleichen Schatten überfliesst; die 
nichts weniger als metallische Fläche ist durch grauschwärzliche 
Punkte in den Höhlen unterhalb der Augen gebrochen, durch 
hell-kirschrothe Flecken auf den Lippen oder hochrothe in den 
Wunden auf der Stirn und an der Seite gemodelt. Geschickt auf- 
getragene braune Pinselstriche, welche die Schatten dämpfen, be- 
leben das Fleisch an den Stellen, wo das reiche lockige Haar 
unter der Dornenkrone hervorquillt und massig zu den Schultern 
herabfällt. Vasari macht bei einem früheren Porträt von Tizian, 
das nicht auf uns gekommen ist, auf die Manier, feines Haar zu 
malen, aufmerksam und lobt überhaupt die vollendete und sorg- 
rä-ltige Ausführung der Einzelheiten, Welche auch an diesem Ecce 
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