LEHRER TIZIAN'S.
ERSTE
men, von diesem aber bald dem Giovanni Bellini übergeben
worden. Aber auch die Unterweisungen dieses Meisters vermoch-
ten ihn nicht für die Dauer zu befriedigen und so wurde er
Giorgones Jünger. Es sind Gemälde vorhanden, durch welche
wir Kenntniss von Tizian's frühestem Stil erhalten, und die Schlüsse,
die sich daraus ergeben, machen Dolce's Erzählung zweifelhaft.
Man kann nicht behaupten, Tizian habe immer kühn und
flott gezeichnet, er war im Gegentheil in seiner Jugend ein sehr
sorgfältiger peinlicher Zeichner, und wenn wir glauben sollen,
Gentile Bellini habe Tizian's kecke Vortragsweise getadelt, so
muss dieser Tadel seine Mannesjahre getroffen haben. Wären
nun Dolce's und Vasari's Angaben richtig, dann müsste Tizian's
Art und Weise als beginnender Künstler ausschliesslich die Lehr-
methode Bellinfs bekunden, während die reiferen Jahre den Ein-
fluss Giorgionds darzuthun hätten; es kann aber nichts Unrich-
tigeres geben als eine solche Behauptung. Tizian war als Jüng-
ling ebensowenig ausschliesslich bellinesk wie er als Mann aus-
schliesslich giorgionesk war, und so viel wir auch bei ihm auf
Rechnung der Originalität des Genius setzen mögen, müssen wir
doch bezweifeln, dass Bellini und Giorgione allein seine Lehrer
gewesen und dass nicht andere ebenso bedeutende Meister den
gleichen Einfluss auf ihn geübt hätten. Dolce nennt als den ersten
Künstler, zu dem Tizian gekommen sei, Sebastian Zuccato. Palma
Vecchio wird als Vater der Violante bezeichnet, der angeblichen
Jugendliebe Tiziansä In den späteren Jahren gehörten Francesco
und Valerio, die Söhne des Sebastian Zuccato, zu seinen intim-
sten Freunden. Lange Zeit arbeitete er nach denselben weiblichen
Modellen wie Palma und malte in einem Stil, Welcher dem Palmafs
stärker gleicht als irgend einem der andern zeitgenössischen Maler,
Unglücklicherweise ist es nur zu wahr, dass man von Seba-
stian Zuccato nichts weiter weiss, als dass er Mosaikarbeiter ge-
wesen ist; er muss jedoch auch als Maler sich bethätigt haben,
4 Dolce, Dialogo, S. 63.
5 Boschini, Carta de! navegar,
und 369.
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