Volltext: Tizian (Bd. 1)

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ANFÄNGE 
IN VENEDIG. 
CAP. III. 
Tizianello glaubt, Tizian sei nach Venedig gekommen, um 
seine Studien fortzusetzen, Vasari und Dolce sind dagegen der 
Meinung, er habe hier erst den Anfang damit machen wollen. 
Wie dem auch sei, der Ort war für beide Fälle gut gewähltf 
Tizian war zu einem in Venedig wohnenden Verwandten geschickt 
worden, in welchem Einige einen Bruder des Gregorio, Andere 
einen Bruder der Lucia_ Vecelli vermuthen? Der Mann liess es 
sich sofort angelegen sein, den Knaben zu einem Künstler in die 
Lehre zu geben. Und hier verlässt ihn die venezianische Ge- 
schichte und nimmt von seinem Treiben und Thun nicht eher 
wieder Notiz, bis er aus dem Schwarme der Mitstrebenden her- 
vortaucht und  als ein Meister im Fondaco de' Tedeschi er- 
scheint. In den venezianischen Annalen findet man gar viele 
derartige Lücken, aus denen sich der Beweis erbringen lässt, wie 
sehr der Erfolg eines Menschen die Augenzeugen zu blenden ver- 
mag, sodass sie, ganz und gar von der Gegenwart erliillt, nicht 
daran denken, seiner Vergangenheit und den Bedingungen, unter 
welchen er sich entwickelte, nachzuforschen. Derartige Unter- 
lassungssünden des sechszehnten Jahrhunderts im neunzehnten 
wieder gut machen zu wollen, würde, wenn auch nicht durchaus 
unmöglich, doch ein sehr schwieriges Unterfangen sein; hatten 
doch selbst viele von Tizian's Zeitgenossen nur Vermuthungen, 
aber keine Thatsachen über seine Jugendjahre zu berichten ver- 
mocht. 
Vasari erzählt in seiner kurzen Weise, Tizialfs Lehrer sei 
Giovanni Bellini gewesen, er sei jedoch nach kurzer Zeit Nach- 
ahmer des Giorgione geworden? Solche unbestimmte Angaben 
können Niemanden befriedigen. Dolce ist ein klein wenig aus- 
iührlißhßlä Nach seinen Mittheilungen ist Tizian zunächst zu einem 
venezianischen Mosaikarbeiter Namens Sebastian Zueeato gekom- 
' Vasari-Ilem. XIV. S. 18.  Dolce, Dialoge, S. 63.  
2 Zum Schaden der wichtigen Fragen im Jugendleben Tiziaxfs hat man sich 
von jeher zu viel bei Unerheblichkeiten aufgehalten. Vgl. Tizianellzfs Anon. S. 3; 
Dolce, Dialogo, S. 63 und Vasari-Lem, XIII. S. 18. 
3 Vasari, XIII. S. 18.
	        
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