Volltext: Tizian (Bd. 1)

TIZIAN'S 
HEIMATH 
UND 
H ERKU N FF. 
933" 
hübsche Geschichte mit Zweifeln und Fragen kranken zu müssen, 
aber hätte Tizianello wenigstens vom Safte wilder Früchte ge- 
sprochen, die der kleine Tizian zuerst zum Malen verwendet, 
dann wäre ein Schein von Glaubwürdigkeit zu retten; allein solche 
Anekdoten haben immer das Unglück der Wunder, durch Leicht- 
gläubigkeit übertrieben zu werden, und es ist Wahrscheinlich eine 
Folge von Tizianellds Geschichtchen, dass man nun wirklich im 
Innern eines der Nachbarhäuser am Orte ein Madonnenbild zeigt, 
das Tizian als Kind gemalt haben soll. Es ist ein Fresko in der 
früher von einem Zweig der Familie Sampieri bewohnten Casa 
Vallenzasco in Pieve di Cador, und das Haus wurde im Laufe 
der Zeit durch Anbauten dergestalt verändert, dass eine der ehe- 
maligen Umfassungsmauern jetzt Innenwand geworden ist. Was 
das Bild selbst anbelangt, so hat es arg gelitten; alte Farben- 
bestandtheile sind abgefallen und dafür neue eingefügt, immerhin 
aber lässt es sich noch classiiicieren:  
Pieve a1 Maria sitzt im Armstuhl am Fenster; sie hält das stehende 
ßlfllilzfjjäKind auf dem Knie und wendet den Blick einem Engel zu, der 
zu ihren Füssen kniet; durch eine Oeffnung hinter dem Tapeten- 
vorhang sieht man Hügel und HimmeLM 
Die Zeichnung ist in der That kindisch und man hat allen 
Grund, das Bild für die Arbeit eines Knaben zu nehmen  aber 
welcher Zeit gehörte dieser Knabe an? Als Tizian nach Venedig 
kam, ging das Quattrocento zwar schon auf die Neige, aber der 
Kunstcharakter der Zeit war noch ausgeprägt genug. Man muss 
sich vergegenwärtigen, dass es die Periode der Hauptthätigkeit 
Giovanni Bellini's War, von der die Rede ist, die Zeit, in welcher 
24 Girolamo de Renaldis, Verfasser des Sagg-io storico della pittura. Friulana, 
Üdine 1793, S. 63 und 97, hält die von Tizianello beschriebene Madonna und die 
in Oase. Sampieri auseinander, nimmt aber an , die erstere sei untergegangen und 
dann die zweite von derselben Hand ausgeführt; dabei beschreibt er das Fresko als 
monßßhrom und sagt, es befände sich ein Engel dabei, Welcher knieend der Ma- 
donna ein Täfelehen darhielte; beides aber ist falsch. Das Wandbild, im ersten 
Stockwerk, ist schlecht erhalten. Marizfs Kopf ist nach links gewandt, der des 
Knaben, welcher die Weltkugel hält, nach rechts; der Engel, dessen Flügel fast 
zerstört sind, ruht auf dem rechten Knie, er faltet die Hände im Gebet, und was 
Renaldis für ein Täfelchen gehalten hat, ist der Arm des Stuhles der Maria. Von
	        
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