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DIE BELLINI.
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aus. Sie componierten nicht blos die üblichen Altarbilder, sondern
waren zugleich Meister im Porträt, Schöpfer des nach höheren
Stilgesetzen abgerundeten Gruppengemäldes und Begründer der
Landschaftskunst, wogegen sie die weitere Ausnutzung der klassi-
schen und vorzugsweise plastischen Vorbilder und die tiefere
Ergründung verwickelter mathematischperspektivischer Fragen
dem Mantegna überliessen. Giovanni war nach beiden Richtun-
gen gerade so weit bewandert, als es dem Zweck des Coloristen
entspricht. Während neben ihm Crivelli sich in der Verbindung
mantegnesker Trockenheit mit umbrischer Zierlichkeit erging und
andrerseits die Vivarini sich mehr an der äusserlichen Geberde
des paduanischen Realismus genug thaten, durchdrang er fast alle
Tiefen der menschlichen Seele, ersetzte die leere Feierlichkeit des
byzantinischen Wesens durch natürliche Formensprache und be-
herrschte die Skala der Gefühlszustände von majestätischer Würde
zu stillem, maassvollem Mitgefühl oder sonniger Heiterkeit. Da-
bei herrschte in dem Geschmack des Beiwerkes seiner Bilder an
Stelle eines oberflächlichen Luxus vielmehr die Absicht der Stei-
gerung des gemüthlichen Interesses. Seine Zuthatcn erklären sich
stets aus Anforderungen der Sitte und der Zeitbildung. Wie er
den verwöhnten Beschauer durch Einführung wirklich praktisch
gedachter Baulichkeiten oder farbiger Zierraten an das schöne
Behagen seiner Stadt und die Vornehmheit ihrer öffentlichen Denk-
male erinnert, so ergötzt er den einfachen Menschen, indem er
den veralteten Goldgrund oder die Pracht der Draperien durch
klaren Himmelsgrund ersetzt, auf dem leuchtende Wolkenflocken
dahinziehn; unter ihnen aber breiten sich nach und nach immer
reicher werdende lachende Gefilde aus. Denn wie Erfahrung und
Geschmack des Künstlers reifen, so cultiviert sich auch die Welt
in seinen Bildern. Die harten phantastischen Felsgründe der frühe-
ren Zeit schmelzen allmälig und machen wonnigen, von fernen
Bergen gesäumten Landschaften mit grünen Tritten und stillen
Seen Platz. Nur gelegentlich mahnt ein Rest orientalischen Ko-
stüms an die Kunstmode von ehedem, und mit dem materiellen
Prunk verschwindet auch die Härte der Farbencoutraste und die
weichliche Körperlosigkeit des Colorits. Durch weise Abwägung
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