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LOTTO.
SAVOLDO .
BOCCACCINO.
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die Bekanntschaft mit ihm vermittelt haben sollte. Es braucht
indess kaum noch darauf hingewiesen zu werden, dass, wenn
Tizian erst i. J. 1527 von Correggio gehört hätte, dieser in der
Zeit von 1520-23 nicht schon Einfluss auf seinen Stil gehabt
haben konnte, wie doch am Tage liegt.
Lotto gehörte zu jenen Künstlern, die Vasari im Sinne hatte,
wenn er sagt, sie wären in Venedig durch Tizian's Uebergewicht
erdrückt worden. Im Jahre 1529 versuchte er mit dem grossen
Meister zu wetteifern, indem er seinen Stil copierte, aber die
„Barmherzigkeit des heiligen Antonius welche er für die D0-
minikaner von S. Giovanni e Paolo malte, zeigt deutlich, dass er
weiter nichts vermochte, als Tizian nachzuahmen; sein Anlauf
blieb denn auch ohne ernstliche Folgen. 1528, bald nachdem
Lotto sich wieder in Venedig niedergelassen hatte, starb Palma
Vecchio. Um dieselbe Zeit ging Sebastian del Piombo wieder
nach Rom und zog Pordenone sich nach den Provinzen zurück.
Die Künstler der älteren Generation, welche blieben, theilen sich
in geborene Venezianer und Provinzialen, die dauernd in der
Hauptstadt wohnten oder sie gelegentlich besuchten. Von Moretto
und Romanino bekam Venedig nur wenig zu sehen. Sie trugen
Tizian's und Palma's Stil nach Brescia und den nördlicheren Hoch-
landen und beschäftigten sich viel mit Freskomalerei. Savoldo
allein behielt einen gelegentlichen Wohnsitz in der Lagunenstadt.
Im Jahre 1508 entrichtete er die Gebühren für Aufnahme in die
Gilde der Chirurgen und Gewürzkrämer in Florenz", 1581 wurde
er von Francesco Sforza nach Mailand berufen. Er gelangte zu
einem hohen Alter, ohne die gebührende Beachtung gefunden zu
haben, denn das Publikum machte sich nicht viel aus Werken,
welche ein Gemisch der Stilarten Tizian's, Sebastians und der
Brescianer waren und schenkte auch dem, was seine Stärke
bildete und worin er wirklich künstlerische Vorzüge kundgab,
wie z. B. seinen Sonnenuntergangs-Effekten, wenig Antheil."
7' Die Verfasser verdanken diese Mittheilung der Güte des Signor Gaetano
Milanesi.
72 vgl. Paolo Pinds Dialog, 5. v., wo er sich über die Vernachlässigung
Savoldds Seitens der Venezianer beklagt.
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