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lVEBKÜNDlGUNG"
MUfRANO.
FÜR
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und Herschreiben erwies sich endlich als Zeitverschwendung und
die Künste des Triumvirats würden "aus den Agenten des Kaisers
auch nicht einen Dukaten herausgepresst haben, hätte nicht Aretin
seinem Freunde eine Methode an die Hand gegeben, die Sache
auf andrem Wege zu erreichen. Unter den vollendeten Gemälden,
die unverkauft in Tizian's Studio standen, befand sich auch eine
für die Kirche S. Maria degli Angeli zu Murano bestellte „Ver-
kündigung". Die Nonnen des Klosters hatten gegen die Preis-
forderung des Meisters (500 Scudi) Einspruch erhoben und sich
geweigert, das Bild für diese Summe abzunehmen. Aretin schlug
nun vor, es der Kaiserin zu senden, und der Erfolg dieser Spe-
kulation war ein Geschenk von 2000 Scudi, welche der Kaiser
sandte. 56 Das Publikum ward in geschickter Weise von dem
Vorfall in Kenntniss gesetzt durch einen offenen Brief Aretin's an
Tizian, in welchem der Gegenstand des Bildes beschrieben und
verherrlicht, der Meister aber gegen eine populäre Beschuldigung
vertheidigt ward." Man hatte nämlich gesagt, Tizian könne nur
Porträts malen und Aretin nur Galle kochen. Der Brief lieferte
den Gegenbeweis gegen beide Behauptungen. Das Bild selbst ist
dann im Lauf der Jahrhunderte in Spanien zu Grunde gegangen.
Caralids Stich hat aber die hauptsächlichsten Züge desselben
bewahrt, nämlich die Jungfrau, welche in bescheidener Ehrfurcht
den Worten des sich zu ihr niederbeugenden Gabriel lauscht,
und einen Regenbogen, der sich an dem von Engeln bevölkerten
Himmel ausspannt. Zwei derselben tragen, wunderlich genug,
die Säule mit Karls des V. Devise „Plus ultra".
Als grösster Colorist seines Zeitalters, als edelster Vertreter
einer Kunst, welche an Feinheit der Wirkungen nicht ihres Gleichen
hat, erscheint Tizian in jenen Tagen auf der Höhe des mit Men-
schenkraft Erreichbaren angelangt. In diesem Sinne wurde er
von den Mitlebenden anerkannt und dem entsprach auch seine
S. "223.
den Lettere
55 Vasari XIII. 30 und Ridolfi, läiarav. I.
57 Aretin an Tizian, 9. November 1537, in
di M. P. Aretino S.
180.