CAP. XI.
HERZOG ERCOLE
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Die Verbindungen mit dem Hofe von Ferrara waren durch
den Tod Alfonso's nicht völlig gelöst worden. Nach der Thron-
besteigung Ercole's des II. setzte Tebaldi seine Besuche in der
Werkstatt des Lieblings-Meisters seines früheren Herrn fort. Hatte
Ercole auch nicht dieselbe hohe Meinung von Tizian wie sein
Vater wie er sich denn in der Folge durch Umstände, für die
wir keine ausreichende Erklärung besitzen, veranlasst sah, es mit
Pordenone zu halten so hegte er doch viel zu viel Achtung für
das Urtheil Alfensds, um einen so grossen Künstler gänzlich bei
Seite zu schieben. In früheren Tagen hatte er Tizian selbst ge-
sessen, auch wusste er recht gut, dass ein Porträt seines Vaters
noch unvollendet auf Tizian's Staffelei stand. Eine seiner ersten
Verfügungen bestand darin, dass er 50 Dukaten nach Venedig
sandte als eindringliche Mahnung an den Maler, ihm baldigst das
vollendete Bild zu liefern, welches als Ersatz des seiner Zeit durch
Covos, List nach Spanien entführten Originals dienen sollte." Es
ist charakteristisch sowohl für den Werth, welchen Ercole auf
seine Verbindung mit dem Hofe Franz des I. legte, wie für Tizian's
Wunsch, Alfonsotreu wiederzugeben, dass „ der französische Orden"
an Tebaldi gesandt wurde, mit der Weisung an Tizian, ihn auf
dem für den Herzog bestimmten Porträt anzubringen. Am 15. De-
cember 1536 berichtet Tebaldi, das Bild sei fertig und so ähnlich
"wie ein Wasser dem andern und ausserdem sehr schon; er wun-
dere sich nur, dass Seine Hoheit so wenig Begierde gezeigt, es
zu sehen. Ercole hatte es aber nicht so eilig damit. Er liess
die Leinwand in Tebaldfs Behausung und wartete bis er selbst
im Januar nach Venedig kam, um sich ein unabhängiges Urtheil
darüber zu bilden. Alsdann sprach er aber rückhaltlos seine Be-
Wundrung aus und zahlte so reichlich, dass Tizian Aretin gestand,
er sei nie königlicher belohnt worden. L") Traurig genug, dass
wir nicht nur den Verlust dieses Meisterwerkes zu verzeichnen
haben, sondern auch den von Ercole's eigenem Porträt, das von
der treuen Hand eines Girolamo da Carpi copiert worden ist?"
P 2' Diese Zahlung erfolgte am 20. Juli 1535, sßlampori, Tiziano e gli Estcnsi
S. 24. 25 Er erhielt 200 Saudi, s. Carnpori a. a. 0. und den Brief Aretixfs an Buonleo
vom 6. Januar l537I3S in den Irettere di M. P. Aretino I. S. S. 2" Vasari XI. 236.
'Cr0we, Tizian I. 22