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STELLUNG
TIZIAN'S
UM
1535.
CAP
aus an Aretin, um ihm mitzutheilen, er habe halb und halb das
Versprechen gegeben, Tizian und Sansovino Sollten den Kardinal
Cles (Glöss) in seinem bischöflichen Palaste zu Trient besuchen,
und es ist möglich, dass Tizian vor seiner Abreise nach Oadore
dieser Einladung Folge geleistet hat? S0 viel wir in Erfahrung
bringen können, waren das Porträt des Kardinals von Loth-
ringen, zwei Frauenbildnisse, eine durch den Tod des Herzogs
von Ferrara in der Vollendung unterbrochene Allegorie und der
für Ferrante Gonzaga bestellte „Ra.ub der Proserpina" diejenigen
Arbeiten, welche während der Jahre 1534 und 1535 den Meister
hauptsächlich in Anspruch nahmenf Es ist jedoch wahrschein-
lich, dass er daneben noch zahlreiche andere Sachen unter Händen
hatte; genannte und ungenannte jedoch hüllt dasselbe Dunkel ein,
und wir können über die Existenz der zuerst erwähnten nichts
Bestimmteres angeben, als dass eine Copie vom Raube der Pro-
serpina aufbewahrt und als echte Leistung des Meisters s. Z. in
Manchester ausgestellt worden ist. Gleich Giorgione hatte Tizian
seine Nachahmer in verschiedenen Schulen. Der hier in Frage
kommende Maler bestätigt, dass es Leuten wie Paolo Franceschi
oder Christoph Schwarz wohl öfter gelingen mochte, technische
Kunststücke, wie man sie bei Tintoretto oder Schiavone findet,
genau nachzuahmen, dass sie aber nicht im Stande waren, die
schmelzende Pracht der Pallette Tizian's Wiederzugebenf
Gegen den Schluss des Jahres 1534 schrieb Tizian in recht
demüthigen Ausdrücken an den Kardinal Ippolito Medici, um sich
5 Tizian hatte dem Vergcrius ein Bild oder ein Porträt versprochen; deshalb
schrieb dieser aus Rom 24.Juni 1536 an Aretin: „Sto per ritornar in Germania e
per passar per Vinegia dove useirö d'un duro debito e'ho eon 1a Signoria vostra. Mr:
sollecitatemi un poco quel nostro messer Tiziano elfegli esca meco d'une non duro
ch'e pittura non stagno: ma farlo o non farlo, mi raceomando a lui et a vostra
Signoria." s. Lettere a M. P. Aretino S. 174 (Neue Ausgabe I. 8.293)-
6 Das Bildniss des Kardinals von Lothringen blieb eine Zeit lang in Tizian's
Händen und wurde, wie es scheint, sehliesslieh vom Besitzer nicht eingefordert,
s. den Brief des Roberta de' Rossi an Aretin, Mai 1539, in Tißozzfs Veeelli etc.
5.106, und Bottari, Lettere pittoriche, Ausgabe TioozzPs, V. S. 228.
7 Der "Raub der Proserpina", auf der historischen Ausstellung i. J. 1857 unter
NO- 235 katalogisiert, war auf Leinwand gemalt und Eigenthum des Mr. J. Evelyn
Denisoll- Ein Bild dieses Gegenstandes hat sieh i. J. 1627 im Sehlosse zu Mantua
befunden, wie d'Arco, Arti di Mantovu II. S. 159 nachweist.