Volltext: Tizian (Bd. 1)

ELFTES 
CAPITEL. 
Tizialfs 
Stellung 
ll lll 
1535. 
Cadore verlor für Tizian niemals die Anziehungskraft. Nach- 
dem der alte Gregorio Vecelli um 1527 gestorben war, hatte sich 
Francesco, den wir beim Beginne seiner Laufbahn eine Zeit lang 
an der Seite des Bruders in Venedig fanden, nach dem alten 
Hause an derPieve zurückgezogen und lag daselbst abwechselnd 
dem Berufe des Malers und des Getreide- oder Holzhändlers ob! 
Fühlte sich Tizian durch seine Arbeiten angegriffen oder von der 
Hitze der Stadt abgespannt, so wanderte er in sein Landhaus im 
Trevisanischen oder lieber in die Bergluft der Heimath. Er be- 
rührte auf seinem Wege Treviso, Ceneda und Belluno, und in den 
entzückenden Landschaften dieser Gegenden, welche die Skala 
von der reichsten Tiefland-Scenerie bis zu den rauhesten Alpen- 
felsen umfassen, erfrischten sich seine Lebensgeister und das er- 
mattete Auge. Von seinem Standquartier in der Nähe von Treviso 
oder Piazza Arsenale aus konnte er Ausilüge machen und die 
Umrisse der Dolomiten, den Duft des Sommerhimmels über den 
Kornfeldern oder die sturmgepeitschten Wolken studieren, wenn 
sie sich dräuend über den Berglehnen zusammenballten. Niemals 
wird er auf solchen Wanderungen sein Skizzenbuch vergessen 
haben, zuweilen nahm er auch Staffelei und Malkasten mit, und 
auf einer der Reisen, die er damals unternahm, zeichnete er ohne 
Zweifel die Landschaften, welche er zur Vervollständigung seiner 
 
1 s. Ticozzi, Vecelli
	        
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