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Untergewand an den Schultern dient mehr dazu, die Entkleidung
bemerkbarer zu machen, und der Körper ist nur sehr lose durch
einen grünen mit Hermelin gefütterten Pelz bedeckt. Man könnte
an eine junge Dame denken, deren Kopf bereits zum Balle frisiert
ist, während sie noch auf die Dienerin Wartet, Welche ihr das
Kleid überwerfen soll; aber das Gesicht, das eine entfernte Aehn-
lichkeit mit der Venus aus den Uflizien hat, ist zu heiter, zu keck
und herausfordernd, denn Frauen sind Während des Ankleidens
selten bei der besten Laune. 55
Unschuldiger, wenn auch immer noch glanzäugig und lächelnd, Wien,
ist da.s Mädchen in ähnlichem Neglige in Wien. Sie hat eben- Bewahre
falls nur erst das Haar sauber aufgewunden und mit Perlschnüren
geschmückt, den Körper deckt sie lose mit einem hermelinbesetz-
ten schwarzen Atlaspelz, der, selbst wenn er mit beiden Händen
zusammengefasst würde, die runden Schultern und den Leib nur
sehr mangelhaft zu verhüllen vermöchtef" Tizian muss derartige
Bilder in grosser Zahl gemalt haben. Ohne Zweifel handelte es
sich um eine Darstellung dieser Kategorie als er i. J. 1537 an
den Kämmerer des Ippolito de' Medici schrieb und ihm anzeigte,
er habe iiir diesen ein Frauenbild entworfen, es aber nur mit
Mühe dem Kardinal von Lothringen aus den Klauen gerissen,
welcher es blos unter der Bedingung fahren gelassen, dass er
ein ähnliches erhalte. i" Wahrscheinlich copierte Rubens nach
Gemälden dieser Art die vier Stücke, Welche im Inventar seines
Nachlasses als nvenezianische Courtisanen" aufgeführt Sind und
ihm die Idee zu seinem „Chapeau de Paille" gaben!" Das Bild
55 Petersburg, Ermitage No. 105, ehemals in der Galerie Orozat, Leinwand.
h. 0, 96 M., br. 0,76 M., der Hintergrund warmgrün mit einem Stich ins Braune
in den dunkleren Stellen, das Fleisch hat durch Abreibung und neuere Nachbesse-
rungen gelitten.
56 Wien, Belvcderc, I. Stock II. Saal, Ital. Schule N0. 35, Leinwand, hoch
0,98 M., breit 0,63 M., Kniestuck, der dunkelbraune Hintergrund ist neu, das
Fleisch durch Abreibung und Nachbesserungen angegriffen, ein Finger der rechten
Hand durch Uebermalung verlängert; die linke durch vermeintliche Restauration
gänzlich verdorben; vgl. Krafffs hist-krit. Katalog S. 62. Originalphotographie
von Miethke und Wawra.
57 Tizian an Vendramo, December 1534 (s. oben Anmerkung 37).
i"! s. Sainsburfs Papers S. 238.
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