322 TIZIAN UND KARL DER V. ÜAP
- auf Phantasiestücken der-Galerien zu Petersburg und Wien und
endlich in dem schönen Frauenbilde der Galerie Pitti, das den
Namen „La Bella di Tiziano" trägt.
Florenz. Tizian's „Bella" gehört zu denjenigen Bildnissen, bei denen
633a? Vornehmheit aus jedem Zuge spricht. Haltung, Blick, Anzug sind
adelig. Der Name ist zufällig. Die Liebenswürdigkeit in Gestalt
modischer Erscheinung: das ist es wohl, was Tizian hier vorstellen
wollte. Sie wendet den Kopf etwas nach links, indess die Augen
rechtshin dem Beschauer überall folgen. Der Blick ist ernst, doch
klar und freundlich dabei, Nase und Mund reizend geformt. Reiches
Haar von warm kastanienbraunem Ton fällt in Wellen längs der
Sehläfe herab und lässt eine verlorene Strähne auf die Stirn
fallen, das übrige liegt symmetrisch in Knoten geflochten um den
Kopf. Eine goldene Kette umschlingt den feinen Hals, das tief
ausgeschnittene Kleid mit seinem Flechtbesatz und den abwech-
selnd blau mit weiss und weiss mit rothviolett gepaarten ge-
schlitzten Putfärmeln ist überaus kostbar. Der linke Arm ruht
mit unwillkürlich ausgestreckten Fingern auf der 'l'aille, die Rechte
spielt mit der Quaste des schweren goldenen Gürtels. Fleisch
und Gewandung sind mit unübertroifener Feinheit ohne alle Quit-
lerei gemalt, die Töne durch ein überaus manigfaltiges System
halbdeckender und durchsichtiger Lasuren in Harmonie und Hal-
tung gebrachtä"
Petersburg, Auf der Familienspur desselben Schönheitstypus steigen wir
E""itage' aus dem Palaste, in welchem die begehrungslose "Bella" heimisch
ist, einige Stufen auf der Leiter des Gesellschaftslebens abwärts
und stehen vor der sogenannten „ Geliebten Tizians" in der Peters-
burger Ermitage, einem schlanken Mädchen in Halbfigur: rother
Hut, kokett mit weisser Feder geschmückt, Perlenschnur mit ju-
welenbesetztem Schlosse und Perlohrringen mit passendem Hals-
band das ist fast die ganze Toilette; denn das Mousselin-
Florenz.
Galerie
Pitti.
L
5' Florenz, Pitti N0. 18, Leinwand, h. 1,00 M., br. 0,76 M, Hüftbild. Einige
Feinheiten des Colorits sind durch Abpntzung verloren gegangen und durch Zer-
störung der zarten Lasuren hat das Ganze etwas Kühles bekommen, besonders in
der Partie am Halse, aber auch am Haar und dem warmgrauen Hintergrund. Ge-
stochen von Perfetti und E. Mandel, photographiert von Alinari.