Volltext: Tizian (Bd. 1)

OL 
P. 
DIE 
.VENUS' 
F LORENZ. 
321 
es ist in seiner lieblichsten Erscheinung, schuf Tizian dieses Ge- 
mälde. Die Natur, die er wiedergibt, ist jung und reizend, nicht 
verklärt zu einem unnahbaren Adel, sondern bewusst und sieg- 
gewohnt, aber {ohne darum der züchtigen Anmuth zu entbehren. 
Was der Maler erreicht und kein Meister des Zeitalters mit gleichem 
Erfolge versucht hat, ist die Darstellung eines schönen lebenden 
Wesens, dessen weisse Haut bei all' ihrem schmelzartigen Glanze 
doch in jeder Fiber modelliert ist. Dadurch erreicht er den Ein- 
druck des wirklichen Fleisches, das nicht marmorn und kalt, 
sondern schwellend erscheint, in dem das Blut des Lebens pulsiert, 
sodass es dem Athemzuge nachgeben kann. Vorzügliche Raum- 
vertheilung, volltönende Harmonie der Tinten und dabei warme 
und tiefe Atmosphäre verbinden sich, um den Schein der Wirk- 
lichkeit zu erhöhen. Wenn wir das Gemälde betrachten, dünkt 
uns, wir könnten in jenes Gemach treten und Platz finden, durch 
das Zwielicht zu wandern, mit dem der hereinblickende Sommer- 
himmel diesen Tempel der natürlichen Schönheit erfüllt. 
Wer unter dem recht zufälligen Namen dieser "Venus" sich 
verbirgt oder vielmehr ohne unser Wissen enthüllt, ist oft gefragt 
worden. Es liegt nahe, das Bildniss einer schönen Frau zu ver- 
muthen, die einmal das Herz des Rovere besessen. Ebenso mög- 
lich jedoch, dass die Gestalt nur Verkörperung eines neuen Typus 
ist, welcher um diese Zeit in Tizian's Phantasie haftete. An Nach- 
bildungen fehlt es erklärlicher Weise nicht. S0 ward die ganze 
Figur von Zeitgenossen des Meisters und späteren Künstlelx häufig 
copicrt; Beispiele davon haben wir in der ebenfalls den Uftizien 
angehörigen, dem Original zeitlich sehr nahe stehenden Arbeit 
eines Venezianer-s und in anderen, welche die Sammlungen von 
Butler Johnstone und in Hampton Court enthalten? Das Antlitz 
erscheint sodann auf Gemälden verschiedenen Charakters wieder: 
53 Die Wiederholung, welche sich in den Ufüzien befindet, ist nicht ausge- 
stellt. Die "Venus" der ehemals Munrdsohen Sammlung (jetzt Butler John- 
ston e) in London stimmt mit dem Bilde N0. 1117 in der Tribune. der Uflizien 
überein bis auf den Hintergrund, welcher verschieden ist. Es ist eine gute alte 
venezianische Copie auf Leinwand, welche Waagen, Treasures II. S. 133 sogar für 
Original ansah.  Die "Venus" N0. 558 in Hampton Oourt gehört in dieselbe 
Kategorie. 
Crowe, 'l'izia.n I. 21
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.