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KARL DER V.
UND
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Bilde das Porträt der Isabella von Este. Es ist kein rechter
Grund ersichtlich, Weshalb die Markgräün dem Maler, der doch
häufig ein Gast in Mantua war, nicht hätte sitzen sollen; sie
wünschte aber augenscheinlich in bräutlicher Jugend, nicht als
ältere Frau von ihm dargestellt zu werden und entlieh deshalb
eins ihrer früheren Porträts, das sie zur Vorlage an Tizian sandte.
Auf diese Weise wollte die kluge Frau dem Schicksal entgehen,
von der Hand des grössten Meisters der Zeit als Matrone mit
welkendem Antlitz dargestellt zu werden. Ein erfahrenes Auge
(lürfte trotzdem erkennen, dass das Gemälde im Belvedere zu
Wien, das Isabella als junges Mädchen darstellt, in der Zeit aus-
geführt worden ist, von der wir jetzt reden. Ueber den wirk-
lichen Sachverhalt sind wir überdies hinlänglich unterrichtet. Die
Archive haben das weibliche Geheimniss schlecht bewahrt. Hierher
gehört folgender Brief Isabella's an Benedetto Agnello in Venedig:
„Die Personen, welche unser Bild geliehen haben, das Tizian
zu dem Zwecke erhielt, eins darnach zu malen, bitten sehr drin-
gend um Rückgabe desselben. Wir wünschen daher, dass Ihr
es zurücknehmt und durch diskrete Hand in einer Verpackung,
die es gegen Beschädigung schützt, an den Ort seiner Bestim-
mung sendet.
,.,Mantua, den 6. März 1534945
Wim Frische und Jugendlichkeit sind dem Porträt nicht abzuspre-
Be"ede'e'chen, dagegen mangelt dem Fleische in hohem Grade die Modu-
lation. Isabella sitzt ein wenig nach links gewandt, den linken
Arm auf die Lehne des Stuhles gelegt, die rechte Hand am Ueber-
kleide, und blickt mit fast mannischer Schärfe ernst vor sich hin.
Der hechelegante Anzug ist mit ausserordentlicher Geschicklich;
keit behandelt, auch bemerkt man, dass die Fürstin nach der Sitte
ihrer Zeit das Haar gebadet hat, um ihm den röthlichen Schimmer
zu geben; der Kopf ist mit einem juwelengeschmiickten Turban
bedeckt, eine Mode, wodurch sich damals die Lombarden von
den Venezianer-n unterschieden. Das reiche Kleid mit stilvollen
Ornamenten in Schwarz und Weiss, dunkelgrünen Schulterpuffen,
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45 S.
Wortlaut des Briefes im
den
Anhang N0.
XLVIII.