CAP.
FRANZ
BILDNISSE
DES
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die Gestalt aber ist skizzenhaft, sodass dem Ganzen allem An-
schein nach eine Denkmünze zu Grunde liegt. Retouehen und
Abputzungen haben es nicht gebessert, trotzdem bleibt es eine
geistvolle und geschickte Arbeit und ist zweifelsohne das Original
des prächtig ausgeführten Bildnisses im Louvre. "ß
Jedermann kennt die Kopfbildung Franz des I., seine lange
spitze Nase, die kleinen dunklen Augen, welche von breiten flei-
schigen Augenhöhlen und Backen umgeben sind, den mächtigen
Unterkiefer, den Stiernacken, das borstige, auf der Stirn in eine
Sehneppe verlaufende Haar, den kurzgeschorenen schwarzen Bart.
Diese charakteristischen Züge sind auf dem Bilde des Louvre
sprechend ausgeprägt; das Gesicht sieht so frisch aus, dass man
eine Studie nach der Natur vor sich zu haben glaubt. Dort aber
trägt Franz das schwarze Sammt-Barett mit Juwelen und Federn,
der geschlitzte rothe Atlasrock mit Pelzvorstoss zeigt seine Reflexe
auf den Lichtern der blendend weissen Wäsche, eine schneeige
Krause umgibt in zierlichen Falten den Hals. Tizian muss mit
den Hotsitten vertraut gewesen sein, um ein Bild wie das in Rede
stehende malen zu können, er begnügt sich aber nicht damit, einen
Fürsten darzustellen, dessen Haltung uns in jedem Zoll den König
zeigt. Unwillkürlich vergleichen wir Franz mit Karl, beide von
derselben Hand gemalt; vollkommen offenbaren sich die Charak-
tere: das ei11e Bild stellt den galanten, das andere den scheuen
und finsteren Monarchen dar. 44
Beinahe um dieselbe Zeit malte Tizian nach einem älteren
Paris,
Louvre.
43 Ridolfi (s. Marav. 1. S. 262) kannte das Bild. Die Gestalt ist bis zur Brust
sichtbar, lebensgross, aber ohne Hände. Es ist jetzt in schlechtem Zustande: der
braune Hintergrund neu, die Nase und verschiedene Stellen am Gewande übermalt;
ausserdem ist rundum ein Stück Leinwand angenäht, auf dem unteren Theile dieses
Ansatzes steht die Inschrift: „FRANCISCVS GALLLZE REX."
44 Paris, Louvre N0. 469, Leinwand, h. 1,09 M., br. 0,89 M. Profil nach
rechts, die rechte Hand am Schwertgriif. Der König scheint hier 35-40 Jahr alt.
Gestochen von Gilles-Edme Petit, von J. B. Massard im Musee franeais und Leroux
(s. auch Filhol VI. Tafel 5130), photographiert von Braun in Dornach. Das dritte
im Text erwähnte Porträt Franz des I. ist dasjenige, welches Vasari XIII. 32 im
Schlosse zu Urbino sah. In Gottfs Gallerie di Firenzc, Florenz 1872, S. 385 unter
N0. 46 ist es im Inventar seltsamer Weise als Ritratto del Duca Franeeseo I.
aufgeführt.