31g
TIZIAN
UND
KARL DER V.
CAP.
er seine Patrone in allen Lagern pries und mit der spekulativen
Frechheit einer Buhlerin sich der Gunstbezengungen rühmte, die
er von jedem Einzelnen empfangen. Er vergass aber auch seine
Freunde nicht: des „gloriosen Tizian" und des "erstaunlichen
Michelangelo"; erzählte, wie das Porträt Alfonsds von Tizian das
Lob Buonarrotfs und die Habgier des Kaisers erregt, der es aus
Ferrara entführt hatte, um damit seinen Palast zu schmücken?
Tizian sass mitten in diesem Treiben und raffte behaglich
auf, was ihm der Wirbelwind zuwehte. Gleich bekannt mit den
Geschäftsträgern der verschiedenen Parteien empfing er ohne Ge-
wissensbisse die Aufträge, die ihm diese gaben, und frisch vom
Hofe zu Bologna und der Darstellung des Kaisers oder C0v0s'
kommend, begab er sich an seine Staifelei, um das Porträt Franz
des I. zu malen. Auf der Leinwand des Meisters bestand zwischen
den beiden grossen Gegnern nur der Unterschied, dass Karl dem
Maler wirklich gesessen, Franz aber nicht; und wie Aretin be-
hauptete, er bete den König an ohne ihn persönlich zu kennen,
so schuf Tizian sein Porträt ohne je etwas anderes als eine Me-
daille von ihm gesehen zu haben. Drei Mal scheint er die bizarren
Züge des Franzosen wiedergegeben zu haben: ein Mal für die
Sammlung in seinem eigenen Hause, ein Mal für Franz den I.
selber und nochmals für den Herzog von Urbino. Die Erhaltung
zweier dieser Bildnisse gestattet uns, die Phantasiekraft zu er-
messen, mit welcher er es zu Wege brachte, ein weltbekanntes
Gesicht nicht blos in Abwesenheit, sondern wie wir wenigstens
nicht anders wissen sogar ohne Kenntniss des Originals zu
conterfeien.
Padua, Wir haben hier zunächst wieder eines im Besitze des Grafen
Sebastian Giustiniani in Padua befindlichen Erbstüekes zu geden-
ken. Franz der I. ist in blossem Kopfe im Profil dargestellt, die
Färbung in klarem, aber süsslichen Tone gehalten. Der Anzug
brauner geschützter Atlasüberroek mit bräunlich gefärbtem Pelz-
aufschlag, eine an goldener Schnur herabhangende Medaille nur an-
gedeutet. Kopf und Nacken sind als fertige Studie zu bezeichnen,
del divino P.
Cortigiana "
Es;
n
6d
iU
D
Aretino
Akt
gss4,
III.
Scene