ALTARBILD
FÜR S. GIOVANNI ELEMOSINARIO.
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Ausserdem hatte Ippolito de' Medici dem Meister das Ver-
sprechen abgenommen, ihn in Rom zu besuchen und auch der
Hof von ltlantua erwartete ihn, aber Tizian beeilte sich durchaus
nicht, Venedig zu verlassen 37", umso weniger, da er nicht lange
erst aus seinem alten Hause am grossen Kanal in die neue sonnige
Werkstatt bei Biri Grande gezogen war. Denn am meisten fessel-
ten ihn seine Aufträge. Er hatte jetzt nicht blos das Porträt des
Kaisers für den Herzog von Mantua auszuführen, sondern auch
ein Altarbild für S. Giovanni Elemosinario zu vollenden, zu dessen
Lieferung er verpflichtet war. Die Kirche dieses Namens war
1513 abgebrannt und auf Befehl des Dogen Andrea Gritti wieder
aufgebaut worden. Sie gehörte zu jenen der Markusstadt eigen-
thümlichen Stiftungen, über welche das Patronat mit Einschluss
des Rechtes, die Geistlichen zu ernennen, lediglich dem Dogen
zustand. Schon hieraus erklärt sich zur Genüge, dass der bild-
liche Schmuck des Hochaltars einem Maler übertragen ward, der
in der Gunst des regierenden Herrn stand. Für die Entstehungs-
zeit des Bildes ist ausserdem der Termin der Fertigstellung des
Altars (2. Oktober 1533) bestimmend? Tizian schuf ein Werk,
das Zanetti trefflich charakterisiert, wenn er ihm vorzugsweise
"Massigkeit in der Behandlung der Theile und eine Pinselführung
von entschlossener Festigkeit" nachrühmtf") Johannes der Almo- Venedig.
sengeber, Patriarch von Alexandria, ist kein besonders bekannter
Heiliger, und sein Typus gehört nicht zu denen, welche den "Mio-
Malern durch zunftmässige Ueberlieferung feststanden. Auch seine
solenne Handlung, die Spende des Almosens, fordert das Genie
heraus, um zu einem bedeutenden Vorgang erhoben Zll Werden.
Aber eine solche Aufgabe traf in Tizian gerade ihren Mann, und
37' Benedetto Agnello an Jacomo Calandra, Venedig, 12. Juli 1533 (s. den
Wortlaut im Anhang N0. XLVI.) und Tizian an Vendramo, Kammerherrn des Kar-
dinals Ippolito, Venedig, 10. December 1534 (aus einer Handschrift des Apostolo
Zeno in der Bibliothek der Dominikaner in Venedig, Venedig 1809: Nozze La-
vagnole-Mila; der Wiederabdruck bei Ticozzi, Veeelli S. 308, ist ungenau).
38 Sansovino, Ven. descr. S. 186, Vasari XIII. 30 und IX. 3T. Nur Moschini
(Guida di Venezia S. 163) gibt die an der Seite des Hochaltars befindliche Inschrift:
„A di doi Octobrio MDXXXIII."
39 Zanetti, Pitt. Ven. S. 166.