Volltext: Tizian (Bd. 1)

CAP. X. OOVOS' KUNSTRAUB. 299 
sehenk zu erhalten. Der Gesandte erwiderte, er möge aus den 
in Ferrara vorhandenen Gemäldesehätzen auswählen, was ihm be- 
liebe und bezeichnete selbst Tizian als die geeignetste Persönlich- 
keit, ihn dabei zu berathen. Oovos erklärte, er werde sieh gern 
mit dem Maler ins Benehmen setzen, müsse aber  welcher An- 
sieht Tizian auch sein möge  darauf beharren, dass ihm das 
Porträt Altbnsds überlassen würde. Drei Tage später wurden 
Casella und Alvarotti von Covos wieder zu einer Audienz befohlen 
und nun eröifnete er ihnen, Tizian habe ihm gerathen, ausser 
Alfonsds Porträt noch eine Judith, einen heiligen Michael und 
eine Madonna zu nehmen. Vergebens wendete Oasella ein, das 
Bildniss Alfonsds sei schon vor langer Zeit gemalt und ihm jetzt 
nicht mehr ähnlich; ebenso vergeblich machte e1' den Vorschlag, 
neue Porträts des Herzogs und des Prinzen anfertigen zu lassen. 
Covos blieb fest. Die Gesandten möchten thun, was ihnen gut 
dünke, er bestehe jedoch auf dem Originalporträt, weil Tizian 
dem Kaiser gesagt habe, dass es sehr schön sei. Das letztere 
solle an den Kaiser nach Bologna, die übrigen Bilder an den 
kaiserlichen Gesehäftsträger nach Genua gesandt werden. 
Die Gier des Kanzlers nach diesem "Geschenke" war so 
gross, dass er infolge der Entdeckung, es sei nicht innerhalb der- 
selben Woehe abgegangen, bei den herzoglichen Geschaftsträgern 
wiederholt Erkundigungen anstellte. Am 23. Januar lieferten Al- 
varotti und Casella das Porträt in Covos' eigene Hände und über- 
gaben ihm gleichzeitig einen Brief von Alfonso mit der Anzeige, 
dass die anderen Bilder nach Genua abgegangen seien. Was Covos 
sonst noch zu verlangen für angemessen halte," stünde ihm gleich- 
falls zu Diensten. Während die Gesandten im Vorzimmer auf die 
Audienz warteten, trat Tizian herein und empfing, wie Casella 
seinem Herrn mittheilt, zum zweiten Male die Mahnung, sieh die 
Bestellungen des Herzogs angelegen sein zu lassen. Er antwortete, 
er wolle gewiss von Herzen gern Alles thun, um seiner Gnaden 
zu dienen, doch sei er so überbürdet, dass er kaum Zeit finde, 
seine Mahlzeiten zu nehmen. Einige Tage später traf Covos mit 
Oasella zusammen und sagte ihm, Alfonsds Porträt hänge im 
Zimmer des Kaisers; er glaube, der Papst Werde erstaunt sein,
	        
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