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EINLEITUNG?
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dem Festlande gewonnen, als Padua und Verona eingenommen
waren und das friaulische Gebirgsland die Lehnspiiicht der Patri-
archen abgeschüttelt hatte, da trat eine Veränderung ein. Nun
waren es nicht länger die Griechen allein oder ihre Schüler, die
die Malerei betrieben; andere Fremde als diejenigen, welche die
byzantinische Kunst-Ueberlieierung bewahrten, Fremde aus
Italien und von jenseits der Alpen fanden den Weg nach Venedig,
und unter ihrem Einfluss nahnfdie Malerei einen neuen mach-
tigen Aufschwung.
Die Wandlung begann in der ersten Hälfte des fünfzehnten
Jahrhunderts, und in weniger als siebzig Jahren nahmen die
venezianischen Künstler eine ebenso hohe und ehrenvolle Stelle
ein als die toskanischen. Eben damals aber neigte sich augen-
scheinlich die Macht Venedigs ihrem Ende zu. Der Seeweg nach
_ Ostindien war aufgefunden worden und Vasco de Gama hatte das
Monopol des Gewürzhandels der Republik vernichtetß Fünfzig
Jahre nachher erreichte die Malerei unter Tizian, Tintoretto und
Paolo Veronese ihren Höhepunkt. Sie war mit fast tropischer
Kraft und Schnelligkeit erblüht und in üppigen Fruchtstand ge-
treten; aber binnen zweihundert Jahren hatte sie ausgelebt, wäh-
rend die ältere toskanische Kunst das doppelte Alter erreichte.
Religiöse Gebräuche und örtliche Sitten wirken naturgemäss
bestimmend auf Entwicklung des malerischen Geschmacks ein.
Das hat sich nirgends so sehr bewährt wie in Venedig. Die
Stadt des heiligen Markus war fromm, fast bis zum Abergläubi-
schen. Man liebte das Ceremoniengepränge und war stolz auf
1 Im "Economista." v. J. 1874 heisst es gelegentlich einer Betrachtung der
grossen Handeiskrisen Italiens: die Entdeckung Amerikas und die Auffindung des
Seeweges nach Indien waren bekanntlich die beiden Ursachen, dass Venedig seine
so lange behauptete Seehandels-Supreniatie verlor. Zuvor waren die venezianischen
Kaufleute die Spediteure oder Vermittler der Fracht des gesammten östlichen Han-
dels; nach diesen grossen Entdeckungen ging ihnen dieses Privileg allmälig verloren.
Seit Eröffnung des Suez-Kanales beginnt jedoch die Bedeutung Venedigs wieder zu
steigen- Während der Jahre 1863-67 führte die Stadt indische WVaaren im Ge-
sammtwerthe von einer Million Lire ein; 1873 betrug der indische Import bereits
fünfnndsiebzig Millionen Lire!