VENEDIGS
HANDEL
MITTELALTER.
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drittes trug den armenischen Handel in die Häfen Kleinasiens
und Syriens; ein viertes versorgte die ägyptischen Märkte durch
den Stapel in Alexandrien, ein fünftes die maurisfchen Küsten
Afrikas und Spaniens; das sechste endlich nahm den Weg durch
die Säulen des Herkules nach den Niederlanden und den Bri-
tischen Inseln. Eine vermittelnde Kauffahrtei gab es nicht. Alles
was Venedig verkaufte kam zuerst nach Venedig und wurde von
dort weiter verfahren, damit sowohl bei der Einfahrt als bei der
Ausfahrt Geld erworben werde.
Mit dem Wohlstande hoben sich auch die Fabriken; und
Venedig lieferte bald ebenso gute Camelotzeuge und Brokate wie
Kleinasien und Persien, ebenso schönes Scharlach- und Carmoisin-
roth wie es von Alters her das Monopol Sidons gewesen. Sein
Glas wurde berühmt. Es verfeinerte den Zucker und fabricirte
Seife. Seine Spitzeniabrikanten und seine Gerber standen in
gleichem Rufe wie seine Sammt- und Seidenwirker. Aber ebenso
gern wie die eigenen führte Venedig die Produkte fremder In-
dustrie aus. Nach 1400 verkauften die Lombardischen Provinzen
an Venedig in einem Jahre nicht weniger als 25000 Stück Tuche
für eine halbe Million Zechinen, die Venezianer verkauften da-
gegen die aus Macedonien, Candia und Sicilien herbeigeholte
Baumwolle oder Schaafwolle, Speeereien und. Sklaven, die sie
aus dem Morgenlande mitbrachten. In der Levante waren ge-
münztes Gold und Manutakturwaaren ihre Hauptartikel, wofür sie
Wolle, Hanf, Felle, Häute, Edel-Metall, Gewürze, Kaffee und
Seidenzeuge in Tausch nahmen. Die Galeeren, welche die Kauf-
iahrteischiiie geleiteten, wurden ebenfalls zur Befrachtung benutzt;
und es ist ein wohlbekanntes Vorrecht der Patrizier, dass je zwei
ihrer Söhne eine Galeere zu begleiten hatten, um die Kunst des
Handels zu erlernen und sich zum zukünftigen Kapitändienst zu
bilden.
Bei so gesehäftigem Leben kann es füglieh nicht Wunder
nehmen, dass die venezianischen Handelsleute die höhere Ent-
Wicklung der zu ausdauernder Sesshaftiglzeit nöthigenden Kunst
zu würdigen und zu fördern vergassen. Aber als die Zeit der
Eroberungen auf den Meeren zu Ende war, als Provinzen auf