CAP. IX. PlETRO AREFINO. 25g
zu rechnen hatte, erschien beiden durchaus durchführbar. Der
mehr oder minder dauernde Erfolg hing natürlich von der Ge-
walt der Waffen ab, Bestechungen und Intriguen aber waren die
nothwendigen Begleiter der bewaffneten Macht und die Mittel,
das Errungene zu sichern und festzuhalten; sie Wurden denn auch
ohne jegliche Scrupel von allen Seiten angewendet. Aretin, ein
Schmarotzer der gefährlichsten Sorte, war durch Zufall dahin
gelangt, einige der geheimen Triebräder der Tagespolitik zu ent-
decken, und so gelangte er bald zu seiner im Dunkeln wirkenden
Macht, indem er auf die Furcht der Einen und die Habsucht der
Andern spekulierte. Aus der allgemeinen Corruption sog er seine
Nahrung mit einem nur in jener Zeit der Politik des Gleich-
gewichts der Niedertracht überhaupt möglichen Behagen. Ver-
muthlich War er der uneheliche Sohn eines Patrizicrs aus Arezzo.
In einem dortigen Hospital gebar ihn seine Mutter Tita um das
Jahr 1492. Näheres über die Umstände seiner Geburt wie über
seine J ugendjahre ist nicht bekannt, und selbst der Eifer seiner
entschlossensten Feinde konnte das Dunkel, welches auf ihnen
ruht, nicht durchdringen. Die wohlberechnete Rücksicht der Are-
tiner breitete einen Schleier darüber, wie sie ihm auch i. J. 15-11
das Bürgerrecht verlieh, von Welchem seine illegitime Herkunft
ihn ausschloss? Aretin selbst rühmte sich damit, er habe nie eine
Schule besucht oder einen Lehrer gehabti, aber er muss doch
wenigstens Lesen gekonnt haben, da er bei einem Buchbinder in
Perugia in der Lehre war f, und wenn auch ausgemacht ist, dass
er nie Griechisch und Lateinisch getrieben, so war ihm die Kunst
des Schreibens in seiner Muttersprache schon in früher Jugend
geläufig. Ausser besteehendem Aeussern und vollendeter Dreistig-
keit scheint er noch mancherlei fesselnde Eigenschaften besessen
zu haben, sonst hatte er einen Mann wie Agostino Chigi schwer-
lich für sich einnehmen können, der doch von 1517 bis 1520 sein
2 vgl. darüber Giammaria Mazzuccholli, Vita. di Pietro Aretino, Mailand 1830,
7 und 8.
3 s. den Brief Aretin's an Mariano Borro in den Lettere rli M; Pietro Aretino
S. 242.
4 vgl. Berufs Verse bei Mazgucchelli a. a. 0. S. 13.
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