Volltext: Tizian (Bd. 1)

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TIZIAN 
ARETIN. 
UND 
CAP 
süchtige Angriffe in Schranken gehalten, vorzugsweise Bildungs- 
mittel des Volkes ist, benutzte sie Aretin, der sie in mancher 
Beziehung überhaupt zuerst ausübte, nur um seine Taschen zu 
füllen. Wie dies bei Männern seines Schlages gewöhnlich, be- 
herrschten ihn niedere Leidenschaften aller Art. Seine Hinneigung 
zu culinarischen und anderen Genüssen kam mit den gewöhnlichen 
Mitteln nicht aus. Er liebte gute Mahlzeiten, elegante Kleidung 
und vornehme Gesellschaft, zur Abwechslung aber auch Orgien 
der niedrigsten Art. In seiner Weise war er verschwenderisch 
und freigebig, und wie er seine Laufbahn ohne einen Pfennig 
begann, so starb er auch ohne Vermögen, aber nur den gelegent- 
lichen Ueberiiuss eines durch niedrige Mittel erworbenen Reich- 
thums liess er Andern zu Gute kommen, und wahrscheinlich war 
auch seine Grossmuth niemals uneigennützig. Die Bekanntschaft 
Tizian's mit diesem Manne und der Umstand, dass er, auch als 
er ihn genau kannte, noch intime Beziehungen zu ihm aufrecht 
zu erhalten vermochte, ist ein fremder, unerklärlicher Zug in 
seinem Leben. Tizian musste eben von Anfang an den Einfluss 
Aretin's gerade bei den Personen erkennen, welche die HauptÄ 
stützen seiner künstlerischen Thätigkeit waren. Vor allem scheint 
es die Vertrauensstellung desselben zum Dogen Andrea Gritti geb 
wesen zu sein, dem er bei seiner Uebcrsiedelung nach Venedig 
auf das angelegcntlichste empfohlen worden war, was Tizian's 
Verhalten zu ihm bestimmte. Um aber Aretin's Laufbahn und 
seine 
muss 
Bedeutung- 
man sich 
gewissen 
das Bild 
Kreisen gegenüber recht zu verstehen, 
der italienischen Gesellschaft in dem 
Augenblick, wo er in derselben auftauchte," vergegenwärtigen. 
Zur Signatur jener Zeit gehört der Ehrgeiz einzelner Staaten 
von ausgeprägt nationalem Charakter, andere Weniger individuell 
entwickelte ohne Rücksicht auf Stammes- und Sprachverschieden- 
heit,.Neigung oder Abneigung in sich aufzunehmen. Wie es Franz 
der I. tiir möglich hielt, deutscher Kaiser zu werden, so träumte 
Karl der V. davon, über die Mauren in Tunis zu herrschen; die 
Eroberung Italiens, welches, freilich unter schwachen Fürsten zer- 
splittert, immer doch in dem Papste auf der einen Seite und der 
Republik Venedig auf der anderen ltlächte besass, mit denen man
	        
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