NEUN TES
CAPITEL.
Tizian
und
Aretin.
Noch vor der Katastrophe Roms i. J. 1527 machte Tizian die
Bekanntschaft des Dichters und Pamphletisten Pietro Aretino, über
den ein Satiriker die folgenden beissend-charakteristisehen Zeilen
schrieb:
„Hier seht Ihr Aretin; er machte Alles schlecht,
Nur Gott nicht, und warum? ,Den kenn' ich nichtf
Entschuldigte er sich und hatte Recht.
Es gab kaum einen irgend namhaften Mann in Italien, der nicht
in einer Art persönlicher oder politischer Verbindung mit Aretin
gestanden hätte, keinen Fürsten des ln- und Auslandes, der nicht
die Nothwendigkeit gefühlt hätte, die feilen Dienste dieses Pseudo-
Geilies zu erkaufen. Wir haben Bildnisse von seinen verschiede-
nen Altersstufen: aus der Jugend, aus den Jahren der Reife, aus
dem Alter. Auf den frühesten hat er das Aussehen eines grossen
hübschen Raufboldes, auf den spätesten ist er fett wie Vitellius
und hat schlaffe Züge wie ein Silen, das Antlitz trägt den Stempel
aller der Laster, Welche das wüste und gewaltthätige Zeitalter,
in dem er lebte, kennzeichnen. Während die Publicistik unserer
Tage, durch Gesetze zum Schutze des Einzelnen gegen schmäh-
L
1 „Questo e Pietro Arctino laoota tosoo
Che dbgni un disse male, eceetto ehe di Dio,
Scusaudosi con dir: non 10 conoseo."
Dieser Vers steht- unter einem von W. Hollar gestochenen Porträt Aretixfs
Anmerkung I6).
Crowe, Tizian I. 17
( vergl.