GESCHICHTLIGHE EINLEITUNG.
CAP.
gewonnen, 1415 das gesammte zwischen Isonzo und Mincio ge-
legene Land erobert, und der Doge Tommaso Mocenigo konnte
mit Recht Mentlich rühmen, dass allein der Handel mit der
Lombardei jedes Jahr zehn Millionen Zechinen einbringe, während
die Flotte Venedigs dreiundvierzig Galeeren, seine Kauftahrtei
3300 Schiffe mit 36000 Matrosen zählte. Während der Regierung
Tommaso Mocenigds hatte Venedig unumschränkte Macht. Sein
Nachfolger Francesco Foscari führte das Steuer vierunddreissig
Jahre lang. Es War die Zeit der erbittertsten und verderblich-
sten Kämpfe, in Welchen italienische Besitzungen bald gewonnen,
bald verloren wurden und Constantinopel, vergebens von Venezia-
nern und Genuesen vertheidigt, in die Hände der Türken fiel.
Kein weltgeschichtliches Ereigniss hat grösseren Einfluss
auf das Geschick der europäischen Nationen gehabt, als dieser
Sieg der Moslem, welcher die Herrschaft der Sultane dauernd
auf europäischem Boden befestigte. Sie beraubten Genua in einer
einzigen Stunde aller seiner Oolonien und seiner ganzen Grösse;
sie untergruben die Kraft Venedigs durch fortwährende Gewalt-
thätigkeiten; sie brachten Ungarn und Oestreich an den Rand
des Verderbens und führten ein" neues Element in die politischen
Verhältnisse der alten Welt ein. Nach einer Reihe grosser uner-
setzlicher Verluste sahen sich die Venezianer am Ende des fünf-
zehnten Jahrhunderts ihrer Handelsobmacht im Osten fast voll-
ständig beraubt. Im Jahre 1477, dem Geburtsjahre Tizian's, verlor
die Republik Lemnos, Mantinea und Scutari in Albanien mit vielen
ihrer Besitzungen in Griechenland; 1499 erlebte sie einen schreck-
liehen Einfall der Türken im Friaul, 1503 unterzeichnete sie den
demüthigenden Friedensvertrag mit Bajazet 1I., in Welcheln" Sie
ganz Morea abtrat. Im Jahre 1506 eröffnete Venedig das erste
Blatt des „Goldenen Buches in welches die Patrizier der Stadt,
nachdem sie Jahrhunderte lang sich mit Stolz „Bürger" genannt
hatten, ihre Titel als erbliche Adelsprädikate eintrugen. Ueber.
den sinkenden Ruhm der seegewaltigen Stadt aber ergossen die
Künste, im Stillen gereift, ein glänzendes Abendroth.