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VTIZIAN
UND
DIE
GONZAGA.
Gar. VIII.
Seide mit gelben Arabesken hat breite goldene Binde, der eben-
falls weissseidene, mit gelben Blumen durehwirkte Mantel ist mit
goldenen Knöpfen aufgeputzt, die ziemlich eng an einander gereiht
an Schnüren herabhängen. Ein gelbes, an Brustlatz und Aermeln
mit Pelz verbramtes Kamisol schliesst knapp an den Körper. Ge-
stalt und Gesicht sind die eines schönen Mannes von hohem
Wuehse mitetwas weit auseinander stehenden Augen, starken
Lippen, einer Adlernase und Jupiter-Stirn. Obwohl energisch
markiert, haben die Züge doch wenig von der bei Tizian gewöhn-
lichen frischen und kräftigen Behandlung, indess können moderne
Retouchen, die-sieh über den grössten Theil des Bildes hinziehen,
daran Schuld sein. Wieder begegnen Wir einem Bilde, welches
das Ansehen einer in einmaliger Sitzung vollendeten Studie trägt,
während Tizian lange daran gemalt hat. Es ist dies charakte-
ristisch sowohl für die Zeichnung, die sorgfältig entworfen, als
für die Modellierung, welche mit sehr dünnem Pigment-Auftrag
hergestellt ist. Freilich kann auch hier wie bei einigen früheren
Bildnissen der ,Giustinianischen Sammlung Tizian's ursprüngliche
Arbeit nach seinem Tode übermalt und verändert und endlich
durch "Restaurationen" noch unkenntlicher gemacht worden sein.
Wir finden Grittfs Züge auf Bildnissen in Wien, Florenz und
Petersburg Wieder. Das erste, eine tüchtige Arbeit, wird zwar
im Katalog der Galerie Czernin dem Tizian zugeschrieben, ist
aber sicher von Pordenone; das zweite, im Besitz des Herrn
Cotterel zu Florenz, hat dermaassen gelitten, dass ein Urtheil
darüber sich überhaupt nicht mehr abgeben lässt, und das dritte,
ursprünglich im Palast Barbarigo zu Venedig, dürfte ein beschä-
digter Tintoretto sein. Kein Doge ist häuüger von Tizian ge-
malt werden als Gritti, und keins der Bildnisse seiner Hand hat
grössere Berühmtheit erlangt. Karl der I. von England besass
eins davon und Rubens oopierte ein anderes nach alten Wieder-
32 Das Leinwandbild der Sammlung Giustiniani ist 1,20 M. hoch und 1,00 M.
breit, die Figur lebensgross, der Hintergrund übermalt. Am rechten Auge sind
starke Spuren von Nachbesserung bemerkbar, die Hunde aber zum Theil erhalten;
an der Brüstung steht: "ANDREAS GRITTI VENETAIQ DVX." Es ist, kein
Grund vorhanden, an der Identität dieses Bildes mit dem bei Ridolli I. S. 262 in
der Sammlung Barbarigo erwähnten zu zvwreifeln.